: Evas Prinzipien & Adams Gesetz
von HEIDE OESTREICH
Die „schweigende Mehrheit“ wollte Eva Herman vertreten, mit ihrer Aufforderung, Frauen sollten doch demnächst ihrem natürlichen Auftrag namens Heim und Herd wieder nachkommen. Die schweigende Mehrheit allerdings lehnte diese Vertretung dankend ab. Drei Viertel der Deutschen erklärten schlicht, sie hielten die Thesen der „Tagesschau“-Frontfrau und Moderatorin für „überholt“.
Antifeministinnen wie Eva Herman treten periodisch auf, wann immer der Feminismus Wirkung entfaltet: In den Siebzigern füllte Esther Vilar mit ihrer These vom „dressierten Mann“ diese Rolle aus. Heute, da sogar die CDU das Hausfrauenmodell aufgibt und einzelne Frauen in Führungspositionen gesichtet werden, ist nun Eva Herman dem Ruf der Neopatriarchen gefolgt. Gerade wenn die Gesellschaft sich ein Schrittchen Richtung Geschlechtergerechtigkeit bewegt, ist die beste Zeit für solche Provokationen. Sonst würde man am Ende gar nicht auffallen mit seiner biederen Alt-CDU-Position.
Aber wen genau vertritt Eva Herman nun ab dieser Woche, in der ihr neues Buch „Das Eva-Prinzip“ erscheint, wenn nicht die schweigende Mehrheit? Der Buchtitel suggeriert: Eva Herman vertritt Eva Herman. Das aber ist merkwürdig, denn Eva Herman gedenkt ja nicht ihre Karriere aufzugeben, um an Heim und Herd zurückzukehren. Sich selbst vertritt sie also auch nicht so richtig. Man könnte es vielleicht so formulieren: Eva Herman vertritt eine Fantasie von Eva Herman. Und das sehr erfolgreich.
Die Marketingmaschine jedenfalls läuft richtig schön rund. Der Vorabartikel im Frühjahr ist meteoritengleich eingeschlagen: Irgendwie außerirdisch, wie da eine Karrierefrau ihr eigenes Lebensmodell rhetorisch vernichtet – und damit zugleich die Karriere wieder vorantreibt. Denn wenn auch die „Tagesschau“ sie vorübergehend beurlaubt, die große Eva-Herman-Show, die hat gerade erst begonnen.
Aus dem Buch vorab zitieren darf man nicht, mit 300.000 Euro Strafe droht der Verlag. Doch das ist auch nicht nötig, ihre Thesen hat Eva Herman ja bereits verbreitet. Deren Logik: Die Rollenkonflikte von Männern und Frauen in emanzipierten Zeiten werden als großes Unglück hingestellt, in das uns die bösen Feministinnen getrieben haben. Die Rückkehr in die alten Rollen versöhnt uns alle wieder mit unserer gottgewollten Natur. Es ist dasselbe Prinzip, mit dem Allan und Barbara Pease („Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“) zig Bestseller gelandet haben: Männer sind dies, Frauen das, warum sich noch einen Kopf drum machen, sie gleich behandeln zu wollen?
Es ist entlastend, in solchen Fantasien zu schwelgen, sie sortieren die Welt schön einfach, wenn man mal die Nase voll hat vom ewigen Aushandeln. Man amüsiert sich und macht Witze darüber, vor allem, wenn Männer sich als Nieten im Einparken erweisen und Frauen keine Lust aufs Schuhekaufen haben. Und stellt fest: Die Realität ist dann doch komplexer.
Auch Eva Herman sucht offenbar Entlastung. Die Frauen von heute charakterisiert sie so: „Sie sind ausgelaugt, müde und haben wegen ihrer permanenten Überforderung nicht selten suizidale Fantasien.“ Da „die Frauen von heute“ ihr darin nicht so recht zustimmen mögen, könnte es sich um eine Projektion handeln. Vielleicht fühlte Eva Herman, dreimal geschieden, zeitweise alleinerziehend und dabei immer mit Volldampf fernsehmäßig unterwegs, sich ausgelaugt und müde, hatte gar suizidale Fantasien? Da sie aber doch die propere Eva Herman ist, „immer mit Leidenschaft und einem Lachen“ unterwegs, wie ihre Homepage versichert, verallgemeinert sie ihr Leiden zum Leiden von „uns Frauen“. Psychologen nennen es „Rationalisierung“: Damit werden „ungeliebte“ emotionale Vorgänge durch Verallgemeinerung „entschärft“. Und diesen Psychoschachzug beherrscht Herman meisterlich.
Das Recht auf „unbegrenzte Selbstverwirklichung“ sei ein fataler Fehler der Emanzipation gewesen, mutmaßt Herman. Welche Frau betreibt heute eigentlich „unbegrenzte Selbstverwirklichung“? Sogar die zahlreichen prominenten Frauen, die auf Hermans Artikel antworteten, versuchen schlicht eine Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der Familie zu leben. Dieses Austarieren ist nicht einfach. Eva Herman ist es offenbar besonders schwergefallen. Sie kippt die Waage einfach um: Jetzt hat eben das Kind Vorfahrt. Alles andere ist unverantwortliche „Selbstverwirklichung“, findet sie.
Wieder greift die Psychofunktion der Verallgemeinerung: Eva Herman selbst ist ja weiter beruflich hochaktiv. Sie wird mit ihrem Buch viele Termine zu absolvieren haben und hat nicht vor, ihre Karriere als Provokateurin demnächst an den Nagel zu hängen. Kompensation durch Predigt: „Wir Frauen“ sollen das für sie tun.
Warum müssen eigentlich „wir Frauen“ alles für Eva Herman erledigen? Es könnte damit zusammenhängen, dass Eva Herman, wie sie selbst in Interviews erzählt, es schon früh liebte, im Mittelpunkt zu stehen und eine klitzekleine Sucht nach dem Beifall für diese Art der „Selbstverwirklichung“ entwickelte. Zwar hat sie irgendwann entdeckt, dass Applaus nicht glücklich macht, dass „da Lob mit Liebe verwechselt wurde“, wie sie es benennt. Aber Eva Herman will offenkundig von der Droge Aufmerksamkeit nicht lassen, deshalb müssen „wir Frauen“ für sie in die Spur. „Wir“ sollen kompensieren, was sie meint in ihrem Leben falsch gemacht zu haben – oder was ihr selbst fehlte.
Einen Überschwang an Mütterlichkeit fordert Eva Herman denn auch im Umgang mit Kindern: Eines ihrer Bücher handelt davon, dass man so lange wie möglich stillen sollte, ein weiteres davon, dass man so lange wie möglich mit dem Kind in einem Bett schlafen sollte. Beides zieht leicht nach sich, dass eine Mutter ihre Nächte jahrelang dem Nachwuchs opfert – eine Konstruktion, die viele Eltern ablehnen, weil ewig übernächtigte Eltern meist keine guten Eltern sind. Eva Herman aber schwelgt in Fantasien der Symbiose, aus der ein Kind konfliktfrei „herausreift“. Vielleicht hatte sie zu wenig davon. Was sie nun von Müttern verlangt, ist jedenfalls zu viel.
Die Männer, was tun die eigentlich in Evas Welt? „Sie zucken nur noch verständnislos mit ihren breiten Schultern, an die wir uns so gerne lehnen möchten, und wenden sich von uns ab,“ schreibt Herman. Haben die Erfahrungen der Tochter Eva, deren Vater starb, als sie sechs war, und drei Scheidungen diesen Gedankengang beeinflusst? Man weiß es nicht. Nur verblüfft schon, wie Eva Herman sich hier die Männerwelt zurechtsortiert. Dass Frauen und Männer ihre Bedürfnisse zusammen abklären, kommt nicht vor. Deshalb kommen auch Männer nicht vor, die ein Interesse an der Vaterrolle und den damit verbundenen Aushandlungsprozessen haben, laut Väterstudien übrigens eine Mehrheit.
Solche Väter sind in Evas Welt nicht vorgesehen. „Wer einmal den Wert häuslichen Friedens in Harmonie und Wärme kennen lernen durfte, weiß, wovon die Rede ist. Diesen Boden kann nur die weibliche Seite bereiten“, meint sie. Vaterlosigkeit scheint durch diese Worte. Etwa so: Von Männern kann man emotional nichts erwarten, die Mutter muss alles allein richten. Die Mutter ist für sichere Bindungen zuständig. Die Väter nämlich können ja so leicht mit den Schultern zucken und abhandenkommen.
Hier nun kommen wir zum Kern der Sache. Denn was Eva Hermans Fantasie insgesamt kredenzt, ist das „Eva-Prinzip“ der gänzlichen Unterordnung unter Adams Gesetz: Die Feministinnen sollen nicht mehr an den armen Männern herumerziehen. Männer sind so leicht zu verlieren, dass man sich ihren Wünschen am besten gänzlich fügt. Dann bekommt man vielleicht endlich eine starke, väterliche Schulter zum Anlehnen. Vielleicht hat Eva Herman sich die immer gewünscht. Das ist durchaus verständlich. Nur die Mechanik, nach der sie „uns Frauen“ all das aufbürdet, was sie selbst gar nicht leben will oder kann, die nervt dann doch.