: Mehr Netto vom Brutto – SPD steuert ohne Konzept
SOZIALDEMOKRATEN Verwirrung: Sollen Einkommen bis über 100.000 Euro wirklich entlastet werden?
BERLIN taz | Kurz vor dem Bundesparteitag gibt es in der SPD weiter Unklarheit um das gerade erarbeitete Einkommensteuerkonzept. Dieses sieht vor, den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent anzuheben und erst bei 100.000 Euro greifen zu lassen, anstelle von aktuell 53.000 Euro.
Der Haken an der Sache: Würde man die Steuerkurve nicht wesentlich verändern, wären Einkommen bis rund 117.000 Euro durch den SPD-Ansatz entlastet. Dies ist eine der möglichen Varianten, die in der SPD zur Debatte standen. Am spürbarsten mehr Netto vom Brutto hätten dann diejenigen mit rund 65.000 Euro Jahreseinkommen. Eine solche Entlastung der Gutverdiener nannte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag in Berlin „kein großes Problem, wenn man sie sich leisten kann“. Fraglich wäre jedoch, ob bei diesem Verlauf der Steuersätze überhaupt noch die gewünschten Mehreinnahmen – Ziel der SPD waren fünf Milliarden Euro jährlich – erzielt werden könnten. Befürworter sprechen mittlerweile bescheiden nur noch von „einem Plus“.
Poß widerspricht Nahles
Der amtierende Fraktionsvorsitzende der Partei, Joachim Poß, argumentierte der taz gegenüber anders als Generalsekretärin Nahles: „Diese Berechnungen halte ich in der SPD nicht für vorstellbar.“ Poß leitet auch die betreffende Arbeitsgruppe zur Steuer- und Abgabenpolitik. Seiner Auskunft nach werde die Steuerkurve verändert. Sie erhalte einen weiteren „Knick“, damit wären die Entlastungen für die Gutverdiener je nach Ausgestaltung ganz weg oder zumindest geringer. Jedoch sei das endgültige Konzept erst für das Jahr 2011 vorgesehen, nun diskutiere man lediglich Eckpunkte.
Auch der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende und Finanzexperte Ralf Stegner sagte der taz: „Wir wollen und müssen durch das Konzept Erträge erreichen, mit denen der Staat notwendige Aufgaben wie Bildung finanzieren kann.“
Im aktuellen Spiegel hatte der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt gesagt, mit dem Konzept würde die SPD „die FDP als Steuersenkungspartei überholen“. Man dürfe, „nicht zulassen, dass die SPD sich ausgerechnet zum Anwalt einer kleinen Schicht von Besserverdienenden macht, die das wirklich nicht nötig hat.“
In der SPD-Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus, gibt es nun offenbar erhöhten Gesprächsbedarf mit Vogt – noch ohne Ergebnis. „Ich fordere eine Klarstellung“, bestätigte Vogt der taz, „Steuersenkungen für Besserverdienende gehen jedenfalls nicht.“ GORDON REPINSKI