: Erst eine Firma führen, dann unterrichten
BILDUNG Schon fast 700 BewerberInnen wollen per Quereinstieg LehrerInnen an Berliner Schulen werden
Vor drei Wochen hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) angekündigt, dass Berliner Schulen ab sofort Quereinsteiger ohne Lehrerausbildung in fast jedem Fach einstellen. Seitdem sind laut Senatsbildungsverwaltung mehr als 700 Bewerbungen eingegangen. Die Berliner Zeitung berichtete, dass die BewerberInnen zum Teil Akademiker seien, die bereits eine eigene Firma geführt hatten. Prekär beschäftigte Uni-Dozenten hätten sich beworben, außerdem Künstler oder Informatiker.
Schmackhaft machen will die Senatsbildungsverwaltung den Quereinstieg mit einer Einstellungsgarantie – sofern die BewerberInnen die Zweite Staatsprüfung mindestens mit der Note „befriedigend“ bestehen. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 31. März.
Viele gehen in Ruhestand
Hintergrund ist, dass in Berlin laut Bildungsverwaltung allein im Jahr 2014 rund 2.200 Lehrer eingestellt werden müssen. Bis 2020 gehen jährlich 1.000 Pädagogen in den Ruhestand – fast ein Drittel der derzeit 27.750 Lehrer an öffentlichen Schulen in Berlin ist über 50 Jahre alt.
Frank Rudolph, Lehrer an einem Gymnasium in Friedrichshain und Sprecher des Deutschen Philologenverbands Berlin-Brandenburg, glaubt trotz der Quereinsteiger nicht, dass der Bedarf auch nur annähernd gedeckt werden kann. „Die jetzige Frist ist viel zu kurz angesetzt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich in dieser kurzen Zeit genügend qualifizierte Bewerber finden lassen.“
Vorausgesetzt wird auch bei Quereinsteigern ein Hochschulabschluss; in sogenannten Mangelfächern wie Mathematik, Physik, Chemie, Informatik, Musik oder Latein reicht auch ein Fachhochschulabschluss. Allerdings fehlen in Berlin so viele Lehrer, dass auch für Fächer wie Deutsch, Kunst, Englisch, Sport oder Biologie – unter Lehramtsstudenten traditionell beliebte Fächer – ein hoher Bedarf herrscht. Einzig in den Fächern Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde besteht kein Mangel.
Die Quereinsteiger jedenfalls erwartet ein dichtes Programm: Ein 18-monatiges berufsbegleitendes Referendariat, in dem wöchentlich sowohl 19 Stunden Unterricht gegeben als auch begleitend drei Seminare besucht werden müssen. Rudolph befürchtet, dass darunter die Qualität des Unterrichts leiden wird: „Das Pensum ist für Berufseinsteiger – vor allem was die Vor- und Nachbereitungen des Unterrichts angeht – kaum zu bewältigen.“ BARAN KORKMAZ