: Beten gegen den Terror
In 40 Moscheen werden am Freitag Friedensgebete zum Gedenken an die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 stattfinden. Die Gemeinden wollen damit gegen ihre Ausgrenzung vorgehen – und die interne Debatte über Terror anstoßen
Von Alke Wierth
„Wir machen das ja nicht zum ersten Mal“, sagt Burhan Kesici von der Islamischen Förderation. Predigen gegen Terror und Gewalt, für ein friedliches und verständnisvolles Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen – das sei seit dem 11. September 2001 in muslimischen Gemeinden selbstverständlich.
Erstmalig haben sich jedoch in diesem Jahr zum fünften Jahrestag der New Yorker Anschläge 40 Berliner Moscheen zusammengeschlossen, um in ihren Freitagspredigten der Opfer der Terrorattacken zu gedenken. Das „Gebet für Frieden und gemeinsame Verantwortung“ soll auch demonstrieren, dass Muslime und ihre Organisationen sich dem „gesellschaftlichen Zusammenhalt in den letzten Jahren erkennbarer als früher verpflichtet“ fühlten, sagt Riem Spielhaus, die stellvertretende Vorsitzende der Muslimischen Akademie.
Die Akademie hat gemeinsam mit dem Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening im vergangenen Jahr das „Islamforum“ ins Leben gerufen, einen Runden Tisch, an dem sich Funktionäre muslimischer Vereine mit Vertretern von Senat und Verwaltung austauschen. Von dem Forum ging die Idee zu dem Friedensgebet aus.
Über 10.000 Gläubige, schätzen die Veranstalter, werden an den Mittagsgebeten am Freitag teilnehmen. Um auch Nichtmuslime zur Teilnahme einzuladen, sollen in sechs Moscheen in verschiedenen Innenstadtbezirken die Predigten in deutscher Sprache gehalten oder ins Deutsche übersetzt werden.
„Die Idee kam von den Gemeinden selbst“, sagt Riem Spielhaus, und Integrationsbeauftragter Piening ergänzt: „Die, die darüber hinaus angesprochen wurden, haben allesamt positiv reagiert.“ Unter den teilnehmenden Organisationen sind neben der Islamischen Förderation und der DITIB, denen überwiegend aus der Türkei eingewanderte sunnitische Muslime angehören, auch die türkischen Aleviten, die Ahmadiyya sowie die Initiative Berliner Muslime IBMUS. Darin sind neben Muslimen aus Pakistan und arabischen Ländern auch viele deutsche Konvertiten organisiert.
„Politisch verordnet“ erscheine ihm diese Gedenkaktion, sagt dagegen Aycan Demirel, der sich mit seiner „Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus“ (KIGA) mit antisemitischen Tendenzen und Verschwörungstheorien unter Berliner Muslimen beschäftigt. Immer noch gebe es darunter Menschen, die die Täterschaft islamistischer Terroristen an den New Yorker Attentaten bezweifelten und die Folgen der Terroranschläge als „Krieg“ oder gar „Kreuzzug“ gegen Muslime bewerteten: „Eine Debatte oder gar ein Umdenken beobachte ich da nicht.“
„Es gibt eine breite Diskussion über Terror und Extremismus in den muslimischen Gemeinden“, widerspricht Riem Spielhaus. Sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sei die Idee der Friedensgebete gewesen. Gleichzeitig soll „ein Statement nach innen abgegeben werden“, so Spielhaus. „Deshalb wollten wir keine Demonstration oder so etwas veranstalten.“ Mit den Predigten sollen auch die Muslime selbst angesprochen werden.
„Die Gemeinden sollen diesen Termin zum Anlass für einen eigenen Prozess des Nachdenkens nehmen“, hofft auch Günter Piening. Dass sich nahezu alle muslimischen Vereine Berlins an dem Gebet beteiligen wollen, hält er für ein gutes Zeichen.