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Archiv-Artikel

Vom schwierigen Erwachsenwerden

UNEINDEUTIGKEIT Mona Steinwidders Musik ist nicht prunkvoll oder laut, aber umso einnehmender. Zwischen klackernden Klavieren und Bleistift-Eingeweiden will sich die Wahlhamburgerin nicht entscheiden

Wäre Mona Steinwidder ein kleines Mädchen im Blumenkleid, würde sie sich im wahrscheinlich im Gebüsch verstecken und mit einem spitzen Stein einen erdverschmierten Regenwurm entzwei schneiden. Mit der gleichen kindlichen Unbedarftheit zumindest schürt sie als Musikerin Mohna Schwermut, Herzlichkeit und Faszination. Müsste man sie in Genre-Schubladen stecken, wäre es wohl zwischen Folk, Klassik und Pop, dass sie das Klavier klackern, das Akkordeon pusten und den Kontrabass nölen lässt.

„I am no one, you are no one“, singt Mona in ihrem Lied „Mountain“. Ihr Debütalbum heißt „1985–1994“, weil darauf sie die ersten neun Jahre ihrer Kindheit verarbeiten will. Hindurch gewoben hat sie den Gedanken, dass man nie wirklich in der Erwachsenenwelt ankommt. In der, erzählt die 25-Jährige, habe sie sich als Kind nicht zurecht finden können. In der Grundschule, in München, hat sie viel Anschiss bekommen, weil sie da zum ersten Mal mit Regeln in Kontakt kam. Ihre Eltern, sagt Mona, seien mit Schwächen liebevoll umgegangen.

Zu chaotisch und zu unkonzentriert sei sie gewesen für die neue Umgebung. Das ging soweit, dass ihr Lehrer den ganzen Schulranzen auf dem Tisch auskippte. Als Kind habe sie zu viel geträumt, sagt sie. „Es ist nicht wirklich weniger geworden. Nur disziplinierter bin ich.“

Bis heute bezeichnet sie sich als Außenseiterin. „Wenn Pianisten meine Platte hören, halten sie sich wahrscheinlich die Ohren zu.“ Ein Instrument gelernt hat sie nie. Und so klingt auch ihre Musik: Keine ungewöhnliche Stelle wurde ausradiert, keine Idee gekappt. Ihrem Bandkollegen Sebastian hat sie ein schwarzes Schlagzeug zum Geburtstag geschenkt – eins für Kinder, „das ist nicht so laut“.

Mona schenkt Rooibos-Tee in die Porzellantassen mit Goldrand. Heute ist sie kleines Mädchen und Großmutter zugleich. Klackerklacker machen die Reiterschuhe auf dem Dielenboden, während sie durch ihre Wohnung geht. Die Wände sind leer, nur einige Spinnweben, von der Heizungsluft schwarz geworden, hängen in den Ecken. Mona sitzt auf dem alten tannengrünen Samtsofa und streichelt Romeo, den 18 Jahre alten struppigen Kater.

Auf dem Tisch stehen Borstenpinsel, nicht richtig ausgewaschen. Mona studiert an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, wo sie seit sechs Jahren lebt. Wie ihre Musik zeigen auch ihre Bilder das Innere: Es sind mit Bleistift gezeichnete Umrisse von Menschen, nur an den Stellen, wo sie am verletztlichsten sind – Lunge, Herz, Magen –, benutzt Mona Farben.

Wohin es gehen soll, wisse sie nicht, sagt sie. Das ist vielleicht auch gar nicht notwendig: Musik und Zeichnen scheinen sich zu bedingen. Zerschneidet man, zum Beispiel mit einem spitzen Stein, einen Regenwurm, werden zwei daraus. Und beide leben weiter. KATHARINA HECKENDORF

Mohna spielt am Freitag beim Reeperbahnfestival in Hamburg: 22.40 Uhr, St. Pauli Kirche, Pinnasberg 80. Alles Weitere: www.mohna.net