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HEIKE HAARHOFF ÜBER DAS PR-WUNDER PFLEGE-BAHRAus Flop mach Top

Eines muss man dem Exgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lassen: Seine Kunst, aus einem faktischen Total-Flop einen PR-Schlager zu machen, und diese sozialpolitische Lüge, quasi posthum, unter einer schwarz-roten Regierung erfolgreich aufrechtzuerhalten, sucht ihresgleichen. Die Rede ist vom „Pflege-Bahr“.

So heißt mittlerweile offiziell die staatlich geförderte private Pflege-Zusatzversicherung, die Bahr 2012 trotz Warnungen von Sozialverbänden durchboxte. 1,5 Millionen Neu-Verträge allein binnen des ersten Jahres, das war Bahrs – schriftlich verankertes – Versprechen. Angesichts 80 Millionen Einwohnern, denen potenziell im Alter Pflegebedürftigkeit droht und deren gesetzliche Versicherung die Kosten nicht deckt, erschienen 1,5 Millionen Verträge schon damals wie Makulatur. Jetzt stellt sich heraus: Gerade 400.000 Menschen haben einen „Pflege-Bahr“ abgeschlossen – nicht in den ersten 12, sondern in den ersten 14 Monaten seit Einführung. Das ist nicht nur weniger als ein Drittel des angepeilten Ziels. Das ist blamabel.

Die Stiftung Warentest hat dem Pflege-Bahr unlängst jeglichen Zusatznutzen abgesprochen: Die staatlich geförderte Police biete keine finanziellen Vorteile gegenüber herkömmlichen Produkten der privaten Pflegeversicherung. Überdies, das beklagen Sozialverbände, schließen diejenigen Menschen mit hohem Pflegerisiko – also Arme und Kranke – den Pflege-Bahr gar nicht ab. Ihnen fehlt schlicht das Geld für den Eigenanteil. Aber auch die Einkommensstärkeren, die jetzt in die Privatvorsorge investieren, können nicht sicher sein, am Ende zu profitieren: Niemand weiß, wie sich die Prämien entwickeln. Ein vorzeitiges Aussteigen aber ist bei Risikoversicherungen stets mit extremen finanziellen Einbußen verbunden.

Die CDU, treuer Fan des Ex-FDP-Ministers, plappert weiter von „großem Erfolg“. Pflege-Bahr? Bravo-Bahr!

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