: Biowaffen an Bord!
Im Internet ist schon seit Monaten die Hölle los: Heute nun kommt mit „Snakes on a Plane“ ein besonderer Katastrophenfilm in die Kinos – und der Plot erzählt sich schon über den Titel
von MARIUS MEYER
Manche Filme sind trotz schwacher Plots schon Kult, bevor die endgültige Fassung überhaupt geschnitten ist. „Men in Black“ und „Independence Day“ sind Beispiele dafür. Lange vor den Filmstarts waren die Kürzel „MIB“ und „ID4“ überall anzutreffen. Monate bevor die Streifen ins Kino kommen, investieren die Produktionsfirmen Millionen in Werbekampagnen. Sie schicken aufwendige Trailer an die Kinos in aller Welt, Merchandising-Artikel werden schon Monate vor Filmauslieferung angepriesen, und „Making-of“-Sendungen verraten die besten Szenen und was sich hinter den Kulissen so abspielte. Die Kinogänger sollen so angefixt werden, damit sie wegen des angeblichen Kultfilms in Scharen vor die Leinwände pilgern. Im Normalfall steht das Studio dahinter – das da viel Geld reinpumpt.
Alles verschwendet, es geht auch kostenlos. Der Film braucht nur eines: einen extrem blöden Titel, der praktisch die ganze flache Geschichte schon verrät. Dann übernimmt die „Blogosphäre“ das Marketing.
Der heute in deutschen Kinos anlaufende Film „Snakes on a Plane“ ist dafür ein Beispiel. Der Plot ist schnell erzählt: FBI-Agent Neville Flynn (Samuel L. Jackson) soll einen Kronzeugen von Hawaii nach L. A. bringen. Um dessen Aussage zu verhindern, schmuggeln Gangster hunderte Giftschlangen an Bord, die das Flugzeug über dem Pazifik zum Absturz bringen sollen.
Noch vor Produktionsbeginn entließ der beteiligte Drehbuchautor Josh Friedman den Filmtitel in die virtuelle Freiheit, weil er davon so begeistert war: „Es ist ein Titel. Es ist ein Konzept. Es ist ein Poster, eine Zusammenfassung und was immer man braucht. Es ist perfekt.“
Sofort bildete sich im Internet eine breite Fanszene, angefeuert von dem Blog www.snakesona blog.com. Brian Finkelstein hatte im Januar diese Internetseite gestartet. Er hoffte, so an eine Einladung zur Kinopremiere des Films zu kommen, den er als einen „modernen Klassiker“ bezeichnet. Doch mit diesem Posting startete Finkelstein einen echten Hype. Der hirnrissige Filmtitel spornte die Kreativität vieler Internetnutzer an. Bald tauchten Trailer auf, die nicht von der Filmfirma New Line Cinema produziert worden waren, sondern von den Fans. Diese stellten auch selbstgeschriebene Skripte ein oder verfassten Gedichte. Unter dem Titel „Snake On A Psychoanalytic Interpretation“ wird die Schlangensymbolik analysiert.
Damit auch wirklich jeder den Titel und so die ganze Geschichte versteht, haben die Fans Übersetzungen in 55 Sprachen zusammengetragen. Von Afrikaans („Slang op ’n Vliegtuig“) über Zulu („Izinyoka Eziseqwelamoya“) bis zur Zeichensprache.
Die Fans im Web versorgen die Produzenten aber nicht nur mit kostenloser Publicity. Das Team übernahm auch Anregungen und ganze Inhalte. Nicht unklug, denn damit wurde der Hype weiter angefeuert, denn jetzt will so ziemlich jeder, der diesem Phänomen im Netz begegnet ist, sehen, welche Beiträge aus der Community in das Endprodukt eingeflossen sind.
Dass der Film kurz vor dem fünften Jahrestag der Anschläge vom 11. September startete (US-Start war am 17. August), mag Zufall sein – doch er passt gut in die Zeit. Terror im Kino ist in. Ende September kommt Oliver Stones „World Trade Center“ in die Filmpaläste, Premiere des Katastrophendramas „Flug 93“ war im April. Doch während diese Filme mit Pathos beladen sind, ist „Snake on a Plane“ ein leichtverständliches B-Movie, das wahrscheinlich nicht einmal von den meisten Mitwirkenden ernst genommen wird.
Auch nachdem dieses angelaufen ist, muss nicht unbedingt Schluss sein mit dem Hype. Über die übliche Fortsetzung hinaus, die dann beispielsweise „Snakes on a Train“ heißen könnte, haben die Fans auch weitere Nutzungsmöglichkeiten des Konzepts gefunden. So schlägt jemand eine Reality Show vor. Dabei werden dann 20 Kandidaten mit zweihundert Schlangen in ein Flugzeug gesperrt. Von den Tieren sind fünf giftig. Für jeden Flug, der bis zu zwölf Stunden dauert, bekommen die Überlebenden einen Luxustag am Zielort spendiert.
Auf den Video-Screens in Langstreckenfliegern wird der Film wohl nie zu sehen sein. Dort werden Filme nur gezeigt, nachdem Szenen, die die Passagiere ängstigen könnten, herausgeschnitten wurden. Diesen Film könnte man dann wohl höchstens noch zwischen Berlin-Tegel und Tempelhof zeigen.
Finkelstein hatte übrigens Erfolg: Nachdem mehr als 1.700 Personen eine entsprechende Online-Petition unterschrieben hatten, schickte New Line Cinema eine Einladung zur Premiere von „Snakes on a Plane“.