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Archiv-Artikel

Tony Blair soll endlich abtreten

Die Forderungen nach einem baldigen Rücktritt des britischen Premiers werden in Blairs eigener Labour-Partei immer lauter. Dessen Berater planen einen Abgang mit großem Getöse. Die Rangeleien um eine Nachfolge haben bereits begonnen

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Die Zeit des Abschieds ist gekommen. Das findet zumindest der britische Staatssekretär Tom Watson, der gestern sein Amt niederlegte und Premierminister Tony Blair ebenfalls den Rücktritt nahelegte. Watson gehört zu den 17 Labour-Hinterbänklern, die Blair Anfang der Woche geschrieben haben, dass es Zeit sei abzutreten. Einer der Unterzeichner sagte: „Wenn der Premier meint, dass ein Zeitplan für seinen Rücktritt seine Autorität untergrabe, diese Autorität aber bereits untergraben ist, dann wäre es doch naheliegend, jetzt zu gehen.“

Blairs Anhänger sagen, dass die Unterzeichner des Briefes enttäuschte Abgeordnete seien, die sich bei der Kabinettsumbildung Anfang des Sommers übergangen fühlten und sich nun bei Schatzkanzler Gordon Brown einschmeicheln wollen. Sollten jedoch bis zum Parteitag 80 Abgeordnete Blairs Rücktritt fordern, muss nach den Parteistatuten eine Wahl abgehalten werden. Doch dazu wird es wohl nicht kommen. „Die Leute wissen, dass gespaltene Parteien Wahlen verlieren“, sagte Bildungsminister Alan Johnson.

Zwar gilt es als ausgemachte Sache, dass Schatzkanzler Brown die Nachfolge Blairs antreten wird, wie beide das angeblich bereits 1994 vereinbart haben, doch Johnson weigerte sich am Montag ausdrücklich, eine eigene Kandidatur auszuschließen. Er fügte allerdings hinzu: „Das ist Sache des Parteiführers. Er hat gesagt, dass er bei den nächsten Wahlen nicht mehr da sein, dass es eine geordnete Übergabe geben und dass alles rechtzeitig geschehen werde. Das klingt doch sehr vernünftig.“ Johnson ist nicht der Einzige, der auf Blairs Amt spekuliert: Der linke Abgeordnete John McDonnell hat gestern erklärt, dass er mit einem sozialistischen Programm gegen Brown antreten werde, sobald Blair seinen Rücktritt erklärt.

Der Zeitplan dafür existiert offenbar bereits. Der Daily Mirror behauptete in seiner Dienstagsausgabe, dass ihm ein Papier zugespielt worden sei, in dem Blairs engste Berater eine detaillierte Rücktrittsstrategie entwickelt haben. Demnach soll Blair nicht leise gehen, sondern mit viel Getöse: Fernsehauftritte in populären Shows, eine landesweite Abschiedstournee à la Frank Sinatra, eine Spritztour zu den 20 wichtigsten Gebäuden, die seit Blairs Amtsantritt vor neun Jahren gebaut oder renoviert worden sind, sowie Interviews mit ausländischen Medien, um ihm den Weg auf das internationale Parkett zu ebnen.

Das fünfseitige Papier wurde im Frühjahr verfasst. „Er muss gehen, während die Masse nach einer Zugabe schreit“, heißt es in dem Papier. „Er muss der Star sein, der diese Zugabe nicht mehr spielt.“ Allerdings warnen die Autoren auch vor Gefahren: Je erfolgreicher Blairs Abschied sei, desto ärgerlicher und destabilisierender wäre das für seinen designierten Nachfolger Brown. Das müsse in dem Plan berücksichtigt werden.

Umweltminister David Miliband, der selbst als übernächster Labourchef gehandelt wird, sagte, er gehe davon aus, dass Blair in zwölf Monaten abtreten werde. Er schränkte aber ein, dass Blair sich ihm gegenüber nicht dazu geäußert habe. Die Sun weiß es besser: Blair werde am 31. Mai nächsten Jahres zurücktreten, schrieb das Boulevardblatt gestern. Da dessen Verleger, der rechte Medienzar Rupert Murdoch, quasi das 24. Kabinettsmitglied ist, wie ein ehemaliger Berater Blairs in seinen Memoiren schrieb, muss man die Meldung ernst nehmen.

Toni Blair wird am Wochenende wahrscheinlich nach Israel fliegen, um mitzuhelfen, die Friedensgespräche wieder in Gang zu bringen. Er wird dort Israels Premier Ehud Olmert treffen, hieß es in Jerusalem, doch die britische Regierung bestätigte das nicht. Ein Frieden im Nahen Osten wäre ein Vermächtnis nach Blairs Geschmack.