ANDREAS FANIZADEH : LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
Literarische Anleitung für Schafsköpfe
Der Linksradikalismus unserer Tage bringt Erstaunliches hervor. Auf Deutsch ist gerade ein Bändchen des „Unsichtbaren Komitees“ erschienen, Titel: „Der Kommende Aufstand“ (Edition Nautilus, 2010). In Frankreich wird seit 2008 gegen die vermeintlichen Autoren, städtische Aussteiger, die eine Bauernhof-Komune in Tarnaç betreiben, ermittelt. Sie sollen auch Anschläge gegen Atomtransporte der französischen Bahn begangen haben. Die Kommunarden streiten alles ab, sind aber inklusive der Schrift seither einigermaßen berühmt.
Nun also die Schrift auch auf Deutsch, von der Rezensenten behaupten, sie übe „in poetischer Sprache radikale Gesellschaftskritik aus antiautoritärer Perspektive“ (Die Wochenzeitung, Zürich), sie lese sich wie ein „postsituationistisches Manifest, wie ein aufrührerischer Hip-Hop-Text, der die kreisenden Polizeihubschrauber ebenso wie die Riots am Boden sprachlich umsetzt“ (Der Freitag, Neues Deutschland).
Situationismus, Poesie? Was mögen die Kollegen meinen? Die Kommunarden sind vielleicht gute Bauern, gute Schriftsteller sind sie jedenfalls nicht. Gruppen wie SOS-Racisme bezeichnen sie als Krebsgeschwür, Autos abzufackeln sei hingegen Ausdruck einer „entschlossenen Negation“, Wohlfahrtsstaat, Familie, Arbeit, alles eine „furchterregende“ Hölle. Die eigene Lebenswelt, die Kommune? Eine paradiesische Lebensform.
Es sind schlichte Gedanken, konsumierbar für Echtis, Breitis und Direktis, die sich nach Gefechten mit dem Anti-Riot-Team unterm „Bordell-Licht der Stadt“ sehnen. Nichts für Situationisten oder Hiphoper, die ihren Asgar Jorn oder ihre Janelle Monáe schätzen und kennen.
■ Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz Foto: privat