thomas doll : Rollentausch in der Provinz
Es war eine Pokalsensation, die eigentlich gar keine richtige mehr war. Der Hamburger SV war vorgewarnt. Der Überraschungscoup hatte sich schon abgezeichnet. „Verdammt ernst“ nehme er das Spiel, hatte Thomas Doll vorher noch gesagt. In einem kuriosen Pokalspiel erlebte der Champions-League-Teilnehmer aber schließlich dann doch bei den „Blauen“, also den Stuttgarter Kickers, sein blaues Wunder. Der HSV machte mit dem 3:4 seinen verkorksten Saisonstart ohne Sieg perfekt, und Doll polterte heftig los: „Der eine oder andere wird das auch sehr zu spüren bekommen.“
Ein kriselnder Bundesligist, ein ungeschlagener Regionalliga-Tabellenführer: Schon im Vorfeld war alles bereitet für eine dieser immer wieder gern gesehenen Pokalüberraschungen. Ein großer Tross begleitete Thomas Doll deshalb wohl in den Süden. Als müsste man symbolisch die eigene Professionalität unterstreichen, waren sogar die Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus dabei. „Es wird dort ein bisschen Musik gespielt und nach Bratwürsten riechen“, wusste Doll vorher, was ihn erwarten würde. Und kaum war der Einheizer-Klamauk des lokalen Stimmungsbarden verstummt, präsentierte sich die Hamburger Innenverteidigung reichlich indisponiert. Erst stand Mirnes Mesic alleine vor HSV-Keeper Stefan Kirschstein, und als bei einem Freistoß keine Zuordnung zu erkennen war, bedankte sich Recep Yildiz mit einem Kopfballtor. Der neue HSV-Hoffnungsträger in der Abwehrzentrale legte dann gleich noch ein Tor auf: Joris Mathijsen brachte mit einem unterirdischen Rückpass seinen Keeper in Bedrängnis, der Christian Okpalas 0:2 vorbereitete. Schon nach sechs Minuten war Thomas Doll bedient.
Auf der Anzeigentafel konnte er sich das erstaunliche Zwischenresultat allerdings nicht noch einmal vergegenwärtigen – die gibt es im Gazi-Stadion nicht. „Die zwei Gegentore haben wir fast selber erzielt“, nörgelte er. Noch mehr stieg dem 40-Jährigen dann aber der Zorn ins Gesicht, als sein Team bis zur Pause durch die Tore von Boubacar Sanogo, Danijel Ljuboja und Guy Demel das Spiel drehte – um dann doch noch auszuscheiden. „Was von uns da gelaufen ist, hatte mit Fußball nichts mehr zu tun“, schimpfte er, „das war arrogant, die Verantwortung wurde immer weiter geschoben.“ In der Schlussminute hatte der HSV Yildiz noch das 3:3 gestattet, ehe Okpala in der Verlängerung einen Elfmeter zum Sieg verwandelte.
Nun hat der ohnehin schon sorgengeplagte HSV-Trainer also ein müdes Team, das in die Verlängerung musste, und das Negativerlebnis Erstrundenaus auf dem Tableau. Und am Mittwoch kommt auch noch Arsenal. Hektisch ließ Doll in die schwäbische Provinzglückseligkeit noch ein paar Tiraden ab. Der eilige Rückzug zum wartenden Flieger ersparte ihm dann die Standardfragen zur eigenwilligen HSV-Personalpolitik, etwa Leistungsträger wie Sergej Barbarez ohne Not auszusortieren. Für den Mittwoch wird Doll nun jede Menge Personal austauschen und auch die Rollen – gegen Arsenal ist der HSV der Außenseiter. Allerdings: Eine Pokalsensation zeichnet sich da im Vorfeld keine ab.
KLAUS TEICHMANN