: Festnahmen im Dunkeln
Die Hamburger Polizei ermittelt gegen Kollegen aus Bremen. Sie sollen bei Festnahmen im Hamburger Schanzenviertel abgedunkelte Brillen eingesetzt und die orientierungslos Gewordenen auf der Straße abgestellt haben
Von ELKE SPANNER
Nach einem Bericht der taz ermittelt die Hamburger Polizei nun gegen Kollegen aus Bremen. Sie sollen Samstagnacht nach gewalttätigen Auseinandersetzungen im Schanzenviertel Verdächtige festgenommen und ihnen abgedunkelte Brillen aufgesetzt haben, um ihnen die Orientierung zu nehmen. Der Sprecher der „Dienststelle interne Ermittlungen“, Joachim Schwanke, bestätigte gestern, es seien Untersuchungen eingeleitet worden.
Zu den Auseinandersetzungen war es nach dem traditionellen Straßenfest im Schanzenviertel gekommen, das selbst friedlich verlaufen war. Nach Angaben der Polizei entzündeten Unbekannte danach Kleinfeuer und errichteten Straßenbarrikaden. Die Polizei, wegen des Fußballspiels zwischen dem FC St. Pauli und Bayern München ohnehin mit 1.000 Beamten im Einsatz, setzte Schlagstöcke und Wasserwerfer ein. Die Beamten wurden mit Flaschen beworfen, teilweise von Hausdächern aus.
Die Beamten, die zu der drastischen Festnahmemethode mit den Dunkelbrillen gegriffen haben, sollen laut den internen Ermittlern einer „auswärtigen Polizeieinheit“ angehören. Ein Zeuge hat die Polizeitruppe als die Bremer „Beweis und Festnahmeeinheit“ identifiziert. Die Bremer Polizei bestätigt, dass Kollegen in Hamburg im Einsatz waren.
Die Bremer Beamten hatten eine Art Schweißerbrille mit dunklen Gläsern dabei, als sie Samstagnacht ins Schanzenviertel kamen. Die Brillen dichten rund um die Augen komplett ab, so dass dem Träger die Sicht genommen wird. Eine Person habe mit dieser Brille eine Dreiviertelstunde lang orientierungslos auf der Straße stehen müssen, berichtet Rechtsanwalt Dirk Audörsch, der später die Freilassung des Mannes erreichte. Erst als der in den Polizeibus gesetzt und aufs Revier gebracht wurde, habe man ihm die Brille abgenommen. Der Festgenommene habe unter Übelkeit und Panikanfällen gelitten.
Die Bremer Polizei bestätigt, „dass wir das bei Festnahmen durchaus machen“. Die Beamten würden zu den dunklen Brillen greifen, wenn mehrere Täter festgenommen werden und die Kommunikation zwischen ihnen unterbunden werden soll. „Sie werden separiert, um Gespräche oder Augenkontakt zu verhindern“, so Sprecher Ronald Walther auf Nachfrage. Dadurch solle verhindert werden, dass die Festgenommenen ihre Aussagen gegenüber der Polizei absprechen. „Das ist keine einschneidende Maßnahme für die Betroffenen“, findet Walther. „Er sieht eben nur ein paar Minuten lang nichts.“
Die Hamburger Kollegen finden dieses Vergehen dagegen ungewöhnlich. Die Dienststelle interne Ermittlungen wolle „aufarbeiten, was in der Nacht passiert ist“, sagt Sprecher Joachim Schwanke. Während Augenzeugen von drei derartigen Festnahmen berichten, weiß Schwanke bislang nur von einem Fall. Zunächst würden die Beamten der auswärtigen Polizeieinheit zu der Frage angehört, ob es für den Brilleneinsatz eine „taktische Begründung“ gab. Parallel lassen die internen Ermittler ein Rechtsgutachten zu der Frage erstellen, ob die Maßnahme rechtlich zu billigen ist.
Für Rechtsanwalt Audörsch ist die Frage weniger offen: „Das Hamburger Polizeigesetz erwähnt eine Augenmaske nicht“, sagt er. „Deshalb ist davon auszugehen, dass das Abdunkeln der Augen bei einer Festnahme rechtswidrig ist.“ Seine Kanzlei prüft zurzeit einen möglichen Verstoß gegen die Menschenwürde der Betroffenen durch die Bremer Polizei.
Auch die Hamburger Grünen stellen diese Frage: Aufgrund der taz-Berichterstattung richtete die GAL-Abgeordnete Antje Möller eine kleine Anfrage an den Senat, mit der unter anderem geklärt werden soll, ob die Hamburger Polizei über verdunkelnde Masken verfügt, ob die Maßnahme der Einsatzleitung bekannt war und ob aus Sicht des Senats ein Verstoß gegen die Menschenrechte vorliegt.