Kolat setzt auf Vereinzelung

FLÜCHTLINGSCAMP-DEBATTE

Was am Oranienplatz von Anfang an fehlte, war eine Exitstrategie

Als die Flüchtlinge vor anderthalb Jahren den Oranienplatz besetzten, wurde das von linker Seite gefeiert, setzte es doch das deutsche Asylrecht wieder auf die politische Agenda. Was im grün regierten Bezirk jedoch von Anfang an fehlte, war eine Exitstrategie. Wie sollte man die Flüchtlinge jemals wieder zum Abbau bewegen, ohne ihr Anliegen zu verraten?

Seit dieser Woche zeichnet sich ab, in welche Richtung es gehen könnte. Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) hat den Flüchtlingen ein Angebot unterbreitet, das die taz einsehen konnte. Flüchtlinge, die ein Asylverfahren in anderen Bundesländern haben, sollen es nach Berlin verlagern und in ein Heim ziehen können. Für die Lampedusa-Flüchtlinge, die in Italien Asyl beantragt haben, sieht Kolat eine sechsmonatige Duldung mit vager Aussicht auf Verlängerung vor. Dafür sollen sie den Oranienplatz räumen und dafür sorgen, dass sich dort keine weiteren Flüchtlinge niederlassen.

Selbst wenn dieses Angebot nun im Senat nachverhandelt wird – die CDU will offenbar auch die Räumung der besetzten Schule – ist die Tendenz klar: Es gibt keine einheitliche Lösung für alle Flüchtlinge. Stattdessen versucht Kolat, die verschiedenen Gruppen auf verschiedenen Wegen wieder an den Rechtsstaat heranzuführen – wo dann jeder Fall, jede Geschichte wie im Asylrecht üblich einzeln beurteilt wird.

Für die Campbewohner heißt das nun: Jeder muss für sich überlegen, wie seine Aussichten wohl wären. Gut möglich, dass die einen das Angebot annehmen, die anderen aber nicht.

Viele Flüchtlinge sind zermürbt vom langen Warten, sie wollen – für sich ganz persönlich – eine Perspektive. Geht Kolats Strategie auf, wird aus der kämpferischen Truppe, die vor anderthalb Jahren in Kreuzberg strandete, bald eine Ansammlung vieler einzelner Asylbewerber. Das wäre das Ende des Protests.

Ob es so kommt, weiß derzeit niemand. Sicher jedoch ist: Die Flüchtlinge waren noch nie eine homogene Gruppe. Das Angebot des Senats wird sie weiter spalten. ANTJE LANG-LENDORFF