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Archiv-Artikel

DIE BILDUNGSSTATISTIK TRÖSTET NICHT ÜBER DIE PISA-MISERE HINWEG Deutschland wird dümmer

Fünf Jahre hat es gedauert, bis die Kollegen von der Bild-Zeitung den Indikator der Bildungsbeteiligung gefunden haben. Im Wust der Pisa-Daten, mit dem die OECD das Land der Dichter und Denker alljährlich erschreckt, findet sich eine Zahl, die sich nur mit archäologischem Suchtrieb finden lässt: Die Zahl lautet 84 Prozent und nennt den Anteil Schul- und Berufsgebildeter. Damit ist Deutschland, täterätä!, ganz vorne. Schluss mit der Pisa-Miesepeterei, so die Botschaft: es geht bergauf.

Leider, leider lassen sich die Kompetenzwerte 15-jähriger Schüler nicht so leicht drehen wie der mirakulöse Geschäftsklimaindex, der nach einer gelungenen Fußball-WM das Land in rosiges Licht zu tauchen vermag. Es geht hier um zähe Modernisierungsprozesse in Schulen und Hochschulen – und da sieht es nicht etwa gut, sondern immer noch recht bescheiden aus. Die Bildungsbeteiligung ist da übrigens ein interessanter Wert – aber vor allem, um den Niedergang des Schul- und Ausbildungswesens zu beschreiben.

Nur wenn wir Opis und Omis Erfolge als Facharbeiter noch in die Bildungsstatistik hineinnehmen, sind wir im OECD-Vergleich Spitze. Tatsächlich aber nutzen uns deren Großtaten in ihrer Lehrzeit herzlich wenig, wenn wir in die Zukunft blicken. Heute sieht es ganz anders aus. Von den vielen Jugendlichen, die nicht den Weg auf die höheren Schulen gehen (dürfen), haben immer weniger Erfolg bei der Suche nach Lehrstellen. Selbst von denjenigen, die eine berufliche Ausbildung fanden, scheiterte im Jahr 2004 ein ganzes Viertel.

Oben sieht es nicht viel besser aus: Unter den heute 30- bis 35-Jährigen haben weniger Personen ein Uni-Diplom als unter den 45- bis 50-jährigen. Das heißt, zusammengefasst: Deutschland wird dümmer. Kein sehr erhebender Befund für eine Zukunft, in der Deutschland zugleich älter wird.

Damit soll nicht behauptet werden, seit Erscheinen der Pisa-Studie hätte sich gar nichts getan. Es wird viel über Schule und Lernen geredet, hie und da wird gehandelt. Aber wenn es stimmt, dass die Gebildeten aussterben und die Nachkommenden nicht schlauer werden, dann ist der Tanker immer noch auf dem altem Kurs: Richtung Eisberg.

CHRISTIAN FÜLLER