: Mit Kohldampf gegen Billiglohn
DEMONSTRATIONEN Erwerbsloseninitiativen und das Bremer „Krisenbündnis“ fordern höheres Hartz IV, um Niedriglöhne zu verhindern. Rot-Grün räumt Mitschuld an der Misere ein
Demo-Anmelder Guido Grüner
VON ARMIN SIMON
Mit Protest und Demonstrationen reagieren Erwerbsloseninitiativen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und das Bremer Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ auf das jüngste Sparpaket der Bundesregierung, die Gesundheitsreform und die Minimalerhöhung der Hartz-IV-Sätze. Auch SPD und Grüne kritisierten die „Tricksereien“ der Bundesregierung. Das Sozialressort deutete an, dass Bremen dem neuen Hartz-IV-Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen werde.
Während sich die Gewerkschaften beim heutigen europaweiten Aktionstag gegen die Sparpolitik der Regierungen noch mit Betriebsversammlungen und einem Infostand auf dem Domshof begnügen, hat das Krisen-Bündnis für ebendort um 16.30 Uhr eine Demo angekündigt. Nötig sei eine „Umverteilung von oben nach unten“, sagte Mitorganisator Olaf Bernau. Konkret verlangt das Bündnis einen Hartz-IV-Regelsatz von etwa 500 Euro, „mittelfristig“ ein bedingungsloses Grundeinkommen, eine Erhöhung der Spitzen- und Erbschafts- sowie die Einführung einer Vermögenssteuer. Bernau sieht eine „große Schnittmenge“ mit Forderungen der Gewerkschaften. Auf der Kundgebung wird auch ein Ver.di-Vertreter reden.
Mit Kochtöpfen und -löffeln „Lärm schlagen statt Kohldampf schieben“ will die Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg am 10. Oktober. Ziel der bundesweiten Demonstration in Bremens Nachbarstadt ist eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 80 Euro. Demoanmelder Guido Grüner verwies gestern auf eine Studie des Dortmunder Instituts für Kinderernährung, wonach für eine gesunde Ernährung 6,50 Euro pro Tag nötig sind. Hartz IV gesteht selbst Erwachsenen bisher nur 3,94 Euro für Nahrungsmittel und Getränke zu; in der neuen Rechnung steigt dieser Tagessatz auf gerade einmal 4,28 Euro. „Das ist Mangelernährung per Gesetz“, kritisierte Grüner.
„Es geht nicht nur um ein bisschen mehr Geld für ein paar Arbeitslose“, unterstreicht er. Die niedrigen Hartz-IV-Sätze seien vielmehr auch mit verantwortlich für Dumpinglöhne und schlechte Sozial- und Umweltstandards. Die Demo in Oldenburg wird daher sowohl von Gewerkschaften als auch etwa von den um gerechte Preise kämpfenden Milchbauern unterstützt.
Es sei Ziel der damaligen rot-grünen Bundesregierung gewesen, den Niedriglohnsektor auszuweiten, räumt der Bremer SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte ein. Dies habe aber „in nicht für möglich gehaltenem Ausmaß dazu beigetragen, dass immer mehr Arbeit schlecht bezahlt“ werde und sich die Rahmenbedingungen für viele Beschäftigte verschlechtert hätten. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Horst Frehe, sagt: „Wir Grüne haben mitverursacht, dass es so einen breiten Niedriglohnsektor gibt.“ Dies habe mit zu den niedrigen Hartz-IV-Sätzen geführt. Man müsse daher nicht nur über deren Höhe reden, sondern für einen flächendeckenden Mindestlohn kämpfen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Bremen bezeichnete die geplante Erhöhung der Hartz-IV-Sätze gestern als „völlig unzureichend“. SPD-Chef Bovenschulte forderte eine „spürbar höhere Erhöhung“. Frehe verwies darauf, dass der Bund den Regelsatz gemeinsam mit den Ländern und mit Experten der Wohlfahrtsverbände festlegen müsse. Das Sozialressort lehnte insbesondere die Bildungschipkarte für Hartz-IV-Kinder ab. Stattdessen sollten die Länder Geld erhalten, um etwa Musikunterricht an Schulen anbieten zu können.