: Entspannung auf dem Ölmarkt
Um 15 Prozent sind die Rohölpreise in den vergangenen Wochen gesunken. Autofahrer freuen sich. Doch langfristig wird der Preisanstieg nicht zu stoppen sein
BERLIN taz ■ So günstig war Tanken schon lange nicht mehr: Der Liter Normalbenzin kostete gestern etwa 1,20 Euro an deutschen Tankstellen. Grund ist der seit Wochen fallende Ölpreis. Noch Mitte Juli wurde der Allzeit-Rekordpreis von 78,40 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) Rohöl erreicht. Das gleiche Fass kostete gestern 66 US-Dollar. So günstig war Öl seit Ende März nicht mehr.
„Die Lager sind voll und die internationalen Krisenherde haben sich entspannt“, erklärt Timo Graucob den Preisverfall. Der Analyst bei der Privatbank Merck Finck & Co verweist zudem darauf, dass die Organisation Erdöl exportierender Länder am Montagabend beschlossen hat, ihre Fördermengen trotz sinkender Ölpreise nicht zu senken.
Graucob sieht auch deutliche Anzeichen, dass sich die US-Konjunktur abschwächt. Mit 25 Prozent der weltweiten Förderung sind die USA mit Abstand der größte Ölverbraucher der Welt. Das dürfte die Nachfrage dämpfen. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht in ihrem gestern veröffentlichten Ölmarktbericht von einem täglichen Bedarf von 84,7 Millionen Barrel aus. Das wäre eine Steigerung von nur 1,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 – gerechnet hatte die IEA bisher mit einem Mehrverbrauch von 1,4 Prozent.
„Die USA füllen ihre strategischen Reserven nicht mehr auf und der Irak fördert dreimal mehr als im Januar“, sagt der Ölhändler Otto Wiesmann der taz. 2,3 Millionen Barrel produziere der Irak täglich. Auch Wiesmann erwartet, dass sich der Ölpreis vorerst stabilisieren wird.
Dazu könnte auch eine Nachricht der US-Ölkonzerne Chevron und Devon Energy beitragen. Sie hatten jüngst den Fund eines riesigen Öl- und Gasfeldes im Golf von Mexiko gemeldet. Es könnte die Energiereserven der USA in einem Schlag um 50 Prozent steigern. Doch hinter dem Timing dieser Nachricht könnte auch politisches Kalkül stecken. Denn das Ölfeld sei schon lange bekannt, sagt Ölhändler Wiesmann. „Im November sind Kongresswahlen in den USA. Da macht sich ein niedriger Ölpreis gut.“
Allerdings ist Öl keineswegs so günstig, wie es den Anschein habe. „Im Vergleich zum Vor- jahr hat sich Rohöl im Vergleich zum bisherigen Jahresdurchschnitt um etwa 25 Prozent verteuert“, sagt Timo Graucob. Seit dem Jahr 2002 hat sich der Preis für Rohöl verdreifacht. „Öl wird ein knappes Gut bleiben“, sagt Graucob.
Denn weiter fallende Preise werden die Nachfrage forcieren. Insbesondere China, dessen Wirtschaft auch dieses Jahr mit zweistelligen Wachstumsraten expandiert, wird preiswertes Öl nutzen, um sich zu bevorraten. Selbst bei den hohen Preisen des ersten Halbjahres steigerte China seine Rohölimporte um 17,6 Prozent, Fertigprodukte wie Kerosin oder Benzin legten gar um 48,3 Prozent zu. TARIK AHMIA