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Archiv-Artikel

Unionsländer springen auf Reformbremse

Als die Gesundheitsreform im Frühsommer verhandelt wurde, war die Tragweite einigen nicht ganz klar

Christa Stewens (CSU): Man war sich zunächst über die Tragweite „nicht so ganz im Klaren“

BERLIN taz/epd ■ Einen offenbar fast zu ehrlichen Satz sagte gestern Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) dazu, warum jetzt von allen Seiten am Gesundheitskompromiss gezerrt wird. Als das Reformpaket im Frühsommer verhandelt wurde, sei man sich über die Tragweite „nicht so ganz im Klaren gewesen“, sagte Stewens gestern im rbb-Inforadio.

Dass vor allem die wohlhabenden, unionsregierten Süd-Bundesländer wieder auf die Reformbremse springen, hat mehrere Gründe, diese Tragweite betreffend. Zum einen haben sich Bayerns und Baden-Württembergs Landesregierungen ausgerechnet, dass ihre Wähler dank der höheren Einkommen einen größeren Anteil in den geplanten Fonds einzahlen müssten als etwa die Ost-Bundesländer. Denn der Fonds würde für mehr Umverteilung zwischen West und Ost sorgen, als es der bestehende Risikostrukturausgleich schon tut.

Zum Zweiten sind 2008 wichtige Landtagswahlen: 2008 wird in Hessen, Niedersachsen und Bayern gewählt. Wenn die Reformumsetzung samt Fonds tatsächlich 2008 beginnt, werden die Unions-Ministerpräsidenten Roland Koch, Christian Wulff und Edmund Stoiber ihren Wählern nicht nur den Sinn des Fonds neu erklären müssen.

Laut jüngsten Berechnungen kommen auf etwa die Hälfte der Haushalte dann auch zusätzlich zum Kassenbeitrag die „kleinen Kopfpauschalen“ zu. Das sind die Zusatzbeträge, die Versicherte zahlen müssen, wenn ihre Kasse nicht mit dem Einheitsbeitrag aus dem Fonds auskommt. Dies betrifft vor allem die AOKen mit ihrer älteren und ärmeren Versichertenschaft. Die kleinen Pauschalen aber könnten sich als Wahlgift erweisen.

Drittens und nicht zuletzt stößt den Unions-Granden der sogenannte Basistarif in der privaten Krankenversicherung auf. Dieser Basistarif soll sowohl gesetzlich wie privat Versicherten offen stehen und die Leistungen der gesetzlichen Kassen zum gemäßigten Preis ohne Risikoprüfung umfassen. Die Union fürchtet nun, dass die Privatversicherungen Verluste machen, wenn teure Privatversicherte zu Billigversicherten werden. Sie will, dass mit dem Basistarif nur bislang gesetzlich Versicherte angelockt werden können.