: „Die IT-Frage ist eine Machtfrage“
Die schlechte Arbeit der Behörden liegt nicht nur an der Software, sagt der Jobcenter-Berater Friedrich Schreibert
taz: Herr Schreibert, können die katastrophalen Ergebnisse des Rankings zur Integration von Langzeitarbeitslosen auf die fehlerhafte Software zurückgeführt werden?
Friedrich Schreibert: Das ist nur einer der Gründe. Es gibt mittlerweise keine Diskussion mehr über die Qualität der Software, die Programme „A2LL“ und „VerBis“ sind völlig untauglich. Hier wird man nach Alternativen suchen müssen, die gegenwärtige Situation ist kaum mehr tragbar.
Mit der Software kann nicht effektiv gearbeitet werden?
Es gibt keinen Datenaustausch zwischen den Programmen. Teilweise müssen die notwendigen Änderungen von den Mitarbeitern manuell vorgenommen werden. Die Ergebnisse sind daher oft zeitaufwendig, fehlerhaft und ungenau.
Die Jobcenter führen die Software-Probleme als Ursache der schleppenden Vermittlung an. Trifft das zu?
Die fehlerhafte Software stellt sicherlich ein gravierendes Problem dar. Unser Gutachten zur Bewertung der Effektivität der Jobcenter kommt jedoch zu dem Schluss, dass die untaugliche Software nur einen Teil des Problems darstellt. Tatsächlich wird die Vermittlung von ALG-II-Empfängern strategisch verhindert.
Wie das?
Der Grund sind die hohen Aussteuerungsbeträge von rund 10.000 Euro, die die Bundesagentur für jeden Arbeitslosen, der ins ALG II rutscht, an den Bund zahlen muss. Daher wird bevorzugt das eigene Klientel der Kurzzeitarbeitslosen vermittelt, um diese Menschen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Obwohl ein Großteil der Langzeitarbeitslosen ebenso zur Verfügung steht. Zum anderen verschärfen auch die paritätischen Strukturen in den Arbeitsagenturen die Situation. Dort entscheidet bei Streit zwischen den Vertretern von Bundesagentur und Kommunen mitunter sogar das Los. Das müssen Sie sich vorstellen!
Wäre eine dezentrale Software-Lösung mit individuellen Programmen für jedes Jobcenter von Vorteil?
Dies ist grundsätzlich möglich, doch müssten die Programme in der Lage sein, vergleichbareDaten zu liefern. Es sind solche Programme auf dem Markt, diese sind erprobt und laufen reibungslos. Doch wird die BA immer wieder zumeist technische Gründe finden, ihre IT nicht freigeben zu können. Denn tatsächlich ist die IT-Frage auch immer eine Machtfrage und diese Macht wird die BA nicht abgeben wollen.
INTERVIEW: SIMON KARSTEN