Jüdische Geschichte, bequem anzusehen

Das Jüdische Museum in Berlin ist ein Publikumsmagnet und steht zum fünfjährigen Jubiläum doch stark in der Kritik

Was hat der Zentralrat der Juden in Deutschland eigentlich gegen das Jüdische Museum in Berlin? Gar nichts, sagt die stellvertretende Museumsdirektorin und Programmdirektorin Cilly Kugelmann. Der Zentralrat sitzt mit im Stiftungsrat des vor fünf Jahren gegründeten Museums. Noch nie, sagt Kugelmann, hätten die Beiratsmitglieder aus dem Zentralrat fundamentale Kritik am Konzept des Museums geübt wie zuletzt wieder Stephan Kramer, der Generalsekretär des Zentralrats – er sprach von „jüdischem Leben im sauberen Glaskasten“. Sogar schriftlich sei ihr versichert worden, dass Kramers Sichtweise nicht die Meinung des gesamten Zentralrats widerspiegele. Ist es also persönlicher Ehrgeiz – oder sogar Eifersucht – auf den Erfolg des Museums, das beim nichtjüdischen Publikum (3,5 Millionen Besucher seit seiner Gründung) so beliebt ist, während der Zentralrat sich oft erfolglos abmüht, antiisraelische und antisemitische Stimmungen in der Öffentlichkeit zu bekämpfen, und dabei in den vergangenen Wochen verbal auch öfters überzieht?

Das Museum sei „bequem anzusehen“, habe aber mit der Realität der jüdischen Gemeinschaft nichts zu tun“, sagt Stephan Kramer. Damit hat er recht. In gewisser Weise ist es leicht, sich als Nichtjude eine Dauerausstellung über jüdisches Leben in Deutschland anzusehen, durch die – ausgesprochen seichte – Ausstellung zum 150. Geburtstag von Sigmund Freud zu schlendern und danach im Museumsshop einen Mousepad mit hebräischen Buchstaben zu erwerben. Weniger Spaß macht es, sich als Jude in den chronisch zerstrittenen jüdischen Gemeinden zu engagieren, sich um die Verwandten in Israel zu sorgen und schlaflos aus Albträumen aufzuwachen, durch die immer öfter der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad geistert – während in Deutschland die iranische Atombombe immer noch heruntergespielt wird. So gesehen, sind die nichtjüdischen Besucher des jüdischen Museums zu beneiden, und Cilly Kugelmann hat im Vergleich zum Generalsekretär des Zentralrats natürlich den schöneren Job. Aber kommt es nicht auch darauf an, was man aus einem Job macht?

Er würde sich wünschen, dass die gesellschaftspolitische Aufgabe des Museums, den jüdischen Meinungsbildungsprozess zu fördern, besser wahrgenommen und mit den Gemeinden koordiniert werde, sagt Kramer. Wünscht er sich mehr Einfluss? Cilly Kugelmann findet, es sei nicht die Aufgabe des Museums, den jüdischen Meinungsbildungsprozess zu befördern.

Schon Ende 2005 hatte Stephan Kramer die damals im Museum gezeigte Ausstellung „Weihnukka“ heftig kritisiert. Diese sei „kein Ausdruck lebendiger jüdischer Kultur“, sondern komme „der nichtjüdischen Sehnsucht entgegen, alle Widersprüche und Differenzen zwischen Judentum und Christentum aufzulösen“. Angst vor Auflösung, sie ist bei den Juden in Deutschland immer noch stark vorhanden – auch wegen der vielen Partnerschaften zwischen Juden und Nichtjuden, die die zukünftige Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinden in Frage stellt. Cilly Kugelmann sagt dazu: „Die Massenvernichtung hat viele Spuren hinterlassen. Die wenigen, die das überlebt haben, hatten ein emotionales Bedürfnis, sich als eng zusammengeschweißte Gemeinschaft wahrzunehmen und von außen wahrgenommen zu werden. Das ist aber eine Fiktion, es gibt sehr unterschiedliche Juden, die Dinge sehr unterschiedlich sehen. Das wirkt bedrohlich auf eine Gemeinschaft, die mit den Folgen einer solchen Katastrophe noch zu tun hat.“

Doch nicht nur Stephan Kramer formuliert Probleme, die man mit dem Jüdischen Museum haben kann. Als jüdischer Besucher fühlt man sich irgendwie vereinnahmt, wenn man die „eigene“ Geschichte, hübsch aufbereitet und einfach erklärt, im Glaskasten sieht. Und zu Recht fragt Hannes Stein in der Welt, wie es eigentlich komme, dass heutzutage der Antisemitismus jegliche Scham verliere – „Kritiker Israels“ etwa tun heute kaum noch so, als gehe es ihnen um irgendwelche besetzten Gebiete, sondern stellen gleich das Existenzrecht des „zionistischen Gebildes“ insgesamt in Frage“ –, während andererseits ein Jüdisches Museum in einer europäischen Hauptstadt zum Publikumsmagneten wird. Andererseits: Haben sich die Juden in Deutschland nicht immer darüber beschwert, dass sie nur als Opfer einer historischen Katastrophe wahrgenommen werden? Was ist denn falsch daran, wenn „Judentum für Anfänger“ (und genau das ist das Jüdische Museum für Millionen von Besuchern, vor allem für Schüler) zur Abwechslung auch mal Spaß macht? AYALA GOLDMANN