: Haft für Ekelfleisch
Skandal um vergammeltes Fleisch: Im Norden Deutschlands wird ein Händler festgenommen, im Süden einem Minister der Rücktritt nahegelegt
AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER AUS Hannover JÜRGEN VOGES
Es klingt unglaublich: Ein einschlägig vorbestrafter und mit Berufsverbot belegter Fleischgroßhändler aus Niedersachsen fährt vor einem Hamburger Kühlhaus vor, lädt acht Tonnen als Beweismaterial sichergestelltes, verdorbenes Fleisch ein, lagert die Ware in Brandenburg und verkauft sie von dort aus an Großküchen in mehrere Bundesländer. So zumindest stellt sich der Fall für die Ermittler dar. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg erwirkte gestern gegen den 46-jährigen Alfons B. aus Lastrup im Kreis Cloppenburg nach zahlreichen Betrügereien und Verstößen gegen das Lebensmittelgesetz Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr.
Werner Schnappauf (CSU) geht es ähnlich: Die SPD will seinen Rücktritt als bayerischer Verbraucherschutzminister erwirken. „Herr Minister, sie sind keine Verbraucherschutzminister, sie sind ein Verbraucherverhinderungsminister“, so der SPD-Abgeordnete Ludwig Wörner gestern. Auch hier bestehe Wiederholungsgefahr: Zu oft habe Schnappauf bereits Maßnahmen angekündigt, durchgegriffen habe er nie. „Die beste Lösung des Problems ist: Wir lösen uns von ihnen.“
Vorangegangen war im Umweltausschuss eine einstündige Rede, in der Schnappauf gestern in gewohnt smarter Weise einen markigen Maßnahmenkatalog vorstellte. Energisch, die Knöchel auf den Tisch knallen lassend, forderte er, „gemeinsam diese kriminellen Elemente zu bekämpfen“. Bayern habe seine Hausaufgaben stets gemacht. Fehler wollte Schnappauf nicht eingestehen, „uns haben die Ereignisse im Grunde überholt“. Immerhin als einer der Ersten sprach Schnappauf an, was in der Lebensmitteldebatte bisher kaum zur Sprache kam: „Es macht mir doch niemand weiß, dass nicht auch Köche und Gastwirte merken, wenn das Fleisch grünlich schimmert.“ Per EU-Recht oder notfalls im Alleingang müssten künftig nicht nur die Händler, sondern auch die Abnehmer genannt werden. Selbst aus CSU-Reihen gibt es Kritik am CSU-Minister: Henning Kaul, Obmann im Umweltausschuss, sei davon ausgegangen, dass diese Runde nach den Fällen Frost und Berger „nicht mehr so schnell innerhalb eines Jahres wieder beraten müssen“. Nichtsdestotrotz ist ein Rücktritt Schnappaufs nicht zu erwarten. Damit würde der ungeliebte CSU-Querulant Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer die Oberhand gewinnen – was schließlich parteipolitisch für den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber ein Problem werden könnte.
Zum Problem geworden ist bereits das Hamburger Fleisch: Nach Angaben der Oldenburger Staatsanwaltschaft ist das verdorbene Material mittlerweile verarbeitet und verzehrt. Und das, obwohl der 46-jährige Beschuldigte überhaupt nicht mehr mit Fleisch handeln durfte: Niedersachsens Agrarministerium hatte Ende letzten Jahres ein Berufsverbot verhängt. Alfons B. aus Lastrup ging den Kontrolleuren trotzdem durchs Netz.