DIE KRIEGSREPORTERINBASCHA MIKA, PHOENIX, MOLESKINE, ARD, SCRIPTED REALITY : Heute im Angebot: Was ganz Edles von Ihren Gebühren
Hallo taz-Medienredaktion!
Verstehe einer die Weiber! Einerseits reißen sie Bascha Mika ihr Buch aus den Händen, in dem sie das Unsichtbar- und Aussortiertwerden von Frauen ab 40 beschreibt, und kaum, dass das mal Thema in einem „Tatort“ ist, nennen sie den „frauenfeindlich“. Lustigerweise regt sich vor allem die London-Korrespondentin der ARD, Annette Dittert, lautstark auf und findet den Film gleichzeitig „spießig“ und „pervers“. Ja, was denn nun?
Interessant ist die Empörung vor dem Hintergrund, dass eine Frau wie die 51-Jährige es nicht aushalten mag, wenn das Fallen durch das Altersraster und das Aufbäumen dagegen so deutlich gezeigt wird. Dabei hatte gerade Ditterts Sendeanstalt, der WDR, sich in den letzten Jahren durch ein rigoroses Aussortieren von Moderatorinnen ab 50 Jahren bemerkbar gemacht.
In die Vollen ging die ARD auf der Leipziger Buchmesse. Als sollten sie mit meinem schönen Geld nicht endlich mal was Anständiges machen, hatten gefühlt alle Anstalten, die irgendwie von ARD-Geld leben, einen fetten Stand aufgebaut. Und sei es auch nur um – wie im Falle des Nachrichtensenders Phoenix – zwei Stühle und einen Tisch vor eine weiße Wand zu stellen und eine junge Frau davor zu postieren, die so traurig guckt, wie das Programm rüberkommt. Die Präsenz der Sender und Anstalten war aus Gebührenzahlerinnensicht ähnlich gewinnbringend, wie wenn drei NDR-Kamerateams bei ein und derselben Veranstaltung auftauchen, schlicht, weil man sich nicht abspricht. Besonders gut hat mir die Frau vom Deutschlandradio gefallen, die die Postkartenaktion bewachen musste und einer Bekannten nach Übergabe eines Kugelschreibers noch etwas „ganz Edles“ aus der Lade zog, das „nicht jeder“ bekäme: ein großes Moleskine-Notizbuch.
Im selben Atemzug kommentierte sie den großen Andrang bei der Aktion „Schreiben Sie eine Postkarte von der Buchmesse – Deutschlandradio übernimmt das Porto!“ Es bekümmerte die Dame sehr, dass bereits am frühen Nachmittag rund „viermal so viel“ Karten eingesteckt wurden wie am Tag zuvor. Das viele Porto. Mein Einwand, das hätten die Leute mit ihren Gebühren eh bezahlt, folgte das Klagelied über gerade mal „39 Cent!“, die der Sender von den 17,98 Euro Gebühren pro Haushalt erhalte.
Ich bleibe bei der ARD und freue mich, dass rund 40 Jahre, nachdem das Privatfernsehen vorgemacht hat, wie Unterhaltung nach „Klimbim“ und „Nonstop Nonsens“ aussehen kann, die ARD auf die Idee kommt, Bastian Pastewka und Anke Engelke zu engagieren. Engelke haben die Verantwortlichen wahrscheinlich bei ihrer Übertragung des Eurovison Song Contest gesehen, Pastewka wird ein Zufallsfund eines Mitarbeiters mit Beinbruch sein, in dessen Krankenhausfernseher auch die Privatsender eingespeist waren. Er wird, zurück bei der Arbeit, berichtet haben, ihm sei ein ganz tolles Nachwuchstalent begegnet. Ein „frisches, unbekanntes Gesicht“ mit einer wirklich großen Begabung.
Bleibt die Frage, wie die ARD es schafft, auch diesen Hoffnungsschimmer zu ersticken. Indem sie die Degeto das Programm produzieren lässt oder den Vorabend als Sendezeit aus dem Ärmel zieht?
Auch hübsch ist, worüber man sich bei RTL den Kopf zerbricht. Wie nämlich eine Kennzeichnung jener Scripted-Reality-Sendungen aussehen könnte, in denen hanebüchener Schicksalsschrott erzählt wird, der vor allem von jungen Leuten als echt wahrgenommen werden könnte. Es soll einen Hinweis geben, dass der ganze Quatsch erfunden ist. Ein Gütesiegel à la RTL. Beglückt von so viel Aussicht auf Qualität zurück nach Berlin!
DIE KRIEGSREPORTERIN SILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de