LESERINNENBRIEFE :
In der falschen Partei
■ betr.: „Drei Promi-Grüne attackieren Linke mit Schmähplakat“, taz vom 17. 3. 14
Die selbst bei den Grünen massiv auf Kritik stoßende „Plakatdenunziation“ von Bütikofer, Özdemir und Göring-Eckardt kann eigentlich nur die überraschen, die wenig über das infernalische Dreigestirn wissen. Im Grunde sind die drei einfach in der falschen Partei, aber die meisten Wähler oder sie selbst haben es noch nicht gemerkt. Özdemir, in den USA nach seinem erzwungenen Karriereknick „fortgebildet“ und ebenso wie Göring-Eckardt Mitglied der neoliberal geprägten Lobbygruppe Atlantikbrücke e. V., ließ im Philosophiemagazin schon letztes Jahr wissen, dass „die Rendite in der Wirtschaft stimmen muss“. Und Bütikofer ist eben der Grüne, der sich innerhalb der Grünen wegen der „wirtschaftlichen Chancen“ für ein Freihandelsabkommen mit den USA einsetzt und sicher mit dazu beigetragen hat, dass die Grünen im EU-Wahlkampf nun nicht den Stopp von TTIP fordern, sondern nur „das Aussetzen der Verhandlungen und einen Neustart“. Wer so – als Grüner (?) – einseitig im Wachstumsdogma hängt wie eine kleine Fliege im Propagandanetz der Milliardäre, den tangiert eben wenig, wenn in der Ukraine die Rechtsradikalen an die Macht kommen, die Renten gesenkt werden und die Heizkosten für kleine Leute steigen. Hauptsache, „die Demokratie“, oder was man dafür halten will, hat gesiegt. MICHAH WEISSINGER, Essen
Putins eigentliches Ziel
■ betr.: „Sind Sanktionen gegen Russland richtig?“, taz vom 13. 3. 14
Wenn es darum geht, wie der Westen auf die Krimkrise reagieren soll, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man die Interessen Russlands besser verstehen sollte. Mal abgesehen davon, dass es wohl das größte Interesse des russischen Volkes wäre, Putin und seine Oligarchenclique so schnell wie möglich in die Weiten Sibiriens zu verfrachten, lenken diese geopolitischen Überlegungen und das Schwadronieren über die Einflusssphäre Russlands davon ab, dass es Putin im Grunde um innenpolitische Ziele geht. Er will verhindern, dass sich die Demokratiebewegung des Maidan bis nach Moskau fortpflanzt und ihn aus dem Amt fegt. Deswegen wird der Popanz eines Faschismus in der Ukraine aufgebaut, den es zu bekämpfen gilt. Deswegen ist es auf einmal wichtig für ihn, die russische Bevölkerung auf der Krim zu schützen.
Das eigentliche Ziel dabei ist aber die politische Destabilisierung der Ukraine. Nur diese nützt Putin in der augenblicklichen Lage. Stefan Liebichs Beschreibung, dass von Sanktionen vor allem die kleinen Leute betroffen sind, ist in Bezug auf Russland nicht ganz richtig. Fehlende Einnahmen aus Gas- und Ölgeschäften treffen vor allem die Oligarchen und die Aktionäre von Gazprom. Betroffen wären eventuell auch die reichen Russen, die auf ihre Einkaufstouren nach London, Paris oder Berlin verzichten müssten. All das kann sich Putin auf Dauer nicht leisten. Weiterhin gilt: Wenn man mit Verhandlungen etwas erreichen will, muss man auch etwas in der Hand haben, sonst sind Gespräche reine Zeitverschwendung. Das gilt für Syriens Assad genauso wie für Russlands Putin. Ohne eine Drohkulisse werden Verhandlungen zur Farce. Das Motto „reden, reden, reden“ (Stefan Liebich) und dabei auf Sanktionen zu verzichten oder sie noch nicht mal in Erwägung zu ziehen, ist gegenüber Potentaten wie Putin die falsche Strategie. Nur wenn „Diplomatie mit glaubwürdigen Sanktionen verknüpft wird“ (Rebecca Harms), gibt es die erwünschten Ergebnisse.
Allerdings ist bis jetzt noch offen, ob die Regierung Merkel wirklich bereit ist, wirksame Sanktionen gegenüber Russland mitzutragen. Denn ganz ohne Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft wird das natürlich nicht gehen. Im Übrigen befinden wir uns noch nicht in einem neuen Kalten Krieg mit Russland. Schon rein ideologisch hätte das Oligarchensystem Putins diesen von vornherein verloren. Manchmal hat man den Eindruck, dass mancher Linker noch nicht verstanden hat, dass Russland längst nicht mehr der Hort einer Weltanschauung ist, die dem Kapitalismus entgegensteht.
HARTMUT GRAF, Hamburg
Abhängigkeit verringern
■ betr.: „Russen auf Einkaufstour“, „Den Preis für Putin in die Höhe treiben“, taz vom 18. 3. 14
Ist es zu spekulativ, darüber nachzudenken, was unsere Regierung von dem Verkauf der DEA an einen russischen Investor wusste und ob sie deswegen weitergehende Handelssanktionen gegen Russland innerhalb der EU blockierte, damit dieser Deal noch möglich wurde? Oder wusste unsere Kanzlerin mal wieder von nichts? Ausgerechnet ein Energieversorgungsunternehmen, mit der einzigen deutschen Ölplattform in der Nordsee, wird an Russland veräußert, wo doch die Abhängigkeit von russischer Energie schon über 40 Prozent liegt. Und das in einem Moment, in dem es praktizierte Außenpolitik wäre, diese Abhängigkeit zu verringern durch den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland.
Wie lächerlich wirken sich die Sanktionen gegen 21 ukrainische und russische Mitläufer von Putin aus? Ist es zu spekulativ, darüber nachzudenken, inwieweit die Haltung der EU und der USA gegenüber Putin dem politischen Verhalten ähnelt, das damals zu dem Münchner Abkommen führte. Seinerzeit wurde Hitler doch gerade durch dieses Abkommen in seinem aggressiven Expansionsdenken bestärkt, was dann letztlich doch zu dem Krieg führte, den man durch die Zugeständnisse vermeiden wollte. Wie lange wird noch herumgedoktert, bis es zu klaren, entschlossenen und schmerzhaften Sanktionen kommt, die kenntlich machen, dass ein Bruch des Völkerrechts eben nicht leichtfertig hingenommen werden wird.
ALBERT WAGNER, Bochum