: Doppelt angerechnet
ELBVERTIEFUNG Bei Kreetsand soll eine Bucht ausgebaggert werden. Was der Senat eine neue Ausgleichsfläche nennt, hält der BUND für Etikettenschwindel
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde hat eine weitere Ausgleichsfläche für die Elbvertiefung ins Spiel gebracht: bei Kreetsand soll eine Bucht ausgebaggert werden, die den Tidenstrom dämpfen könnte. „Ich freue mich, dass eine Lösung gefunden wurde, die Fahrwasseranpassung weiter abzusichern,“ sagte Wirtschaftssenator Ian Karan (CDU). Die neue Kreetsand-Bucht ist eine beschlossene Maßnahme, soll aber jetzt in der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanz für die „Fahrrinnenanpassung“ verbucht werden. Der Umweltverband BUND nennt Karans Lösung deshalb einen „PR-Gag“.
Zweifel an ausreichendem Ausgleich für die Elbvertiefung haben nicht nur Umweltverbände. Obwohl auch in Niedersachsen viele Arbeitsplätze am Hafen hängen, gibt es Widerstand aus dem Nachbarland. Bei Otterndorf sorgen sie sich um den Deich, anderswo um die Sportboothäfen, deren Zufahrten verschlicken. Angemessenen Ausgleich zu schaffen, wird mangels geeigneter Flächen kniffliger.
Der aktuelle Entwurf zur Plangenehmigung für die Elbvertiefung musste in diesem Sommer schon zum dritten Mal öffentlich ausgelegt werden. Das Bundesamt für Naturschutz in Leipzig bemängelte zuletzt, dass nicht geprüft wurde, ob die Elbvertiefung mit der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) verträglich sei. Das sei „aus naturschutzfachlichen Gründen erforderlich“.
Wertvolle Lebensräume
Karan räumt ein, dass eine „Störung von europarechtlich geschützten Lebensräumen sowie Tier- und Pflanzenarten“ in Kreetsand nicht ausgeschlossen werden könne. Der Gewässerausbau am Spadenländer Busch/ Kreetsand könne aber im Sinne der FFH-Richtlinie helfen, das System der wertvollen Lebensräume zusammenzuhalten.
Der Deich am Spadenländer Busch/Kreetsand war 2001 nach anfänglichem Widerstand zurückverlegt worden. Damit sollten zahlreiche Deicherhöhungen der 90er Jahre ausgeglichen werden. Heute steht dort ein Auenwald, der aber nur bei starkem Hochwasser überflutet wird.
Im Sommer 2009 wurde bekannt, dass die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) noch weiter gehen will: Sie möchte einen Teil des Gebiets abbaggern, um ein regelmäßig überflutetes Flachwassergebiet zu schaffen. Weil die Elbe damit mehr Raum erhalten würde, erhofft sich die HPA eine Verringerung des Tidenhubs um zwei bis drei Zentimeter. Mit weiteren Projekten dieser Art soll das Flachwassergebiet dazu beitragen, dass die HPA weniger Sediment in der Elbe hin- und herschaufeln muss.
„Diese Maßnahme nun auf die geplante Elbvertiefung anzurechnen, ist eine bodenlose Unverschämtheit“, sagt Manfred Braasch vom BUND. „Wirtschaftssenator Karan will eine unabhängig von der Elbvertiefung beschlossene und bereits finanziell gesicherte Maßnahme doppelt anrechnen.“ Überdies liege die Fläche im neu ausgewiesenen Naturschutzgebiet „Auenlandschaft Norderelbe“.
Die Schaffung des Flachwassergebiets gehe „weit über das hinaus, was einmal als Ausgleich festgelegt war“, sagt Karin Lengenfelder von der HPA. Dass das Projekt unabhängig von der Elbvertiefung geplant worden sei, spreche nicht dagegen, es darauf anzurechnen. GERNOT KNÖDLER