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PRESS-SCHLAGLautern wird man nicht los

LOKALPATRIOTISMUS Man muss sich nicht für Fußball interessieren, um landsmannschaftlich auf ewig verdammt zu sein

Männern ist es streng verboten, sich nicht für Fußball zu interessieren. Wer einräumt, er kümmere sich nicht um ritualisiertes Rudelgekicke, der wird behandelt, als hätte er behauptet, er möge keine Atemluft. Eine harmlose Feststellung wie „Ich interessiere mich nicht für Fußball“ geht bei Frauen als Selbstverständlichkeit durch – Männern dagegen wird sie stets als unstatthafte Koketterie ausgelegt: „Ach, der Herr mag keinen Fußball? Da ist er sich wohl zu fein für, was? Und wen will er denn damit beeindrucken?“

Deshalb verzichten die meisten Bundesliga-Muffel auf ein Outing. Die soziale Ächtung ist es nicht wert. Einfacher ist es, sich einen kleinen Baukasten an austauschbaren Bemerkungen zuzulegen, die Kenntnis und Interesse vortäuschen. Sätze wie: „Die hätten neue/andere/bessere Spieler kaufen müssen.“ Oder: „Für uns wird das wohl diesmal nix mit der Schale.“

Dabei ist es nicht so, dass ich mich für den Fußball-Kosmos nicht interessieren würde. Im Gegenteil. Es ist so, als ob ich ständig Riesenteleskope auf diesen Bereich des Alls ausgerichtet hätte. Aber da ist nichts, was meine Aufmerksamkeit für mehr als nur drei flüchtige Sekunden erregen könnte. Und wenn dann einmal alle paar Jahre im rauschenden Strom sinnloser Signale doch eine echte Information aufblitzt, vielleicht auch noch in reinem Pfälzisch, dann ist das jedes Mal ein Fest: „Ei, hasche’s scho gehährt? Unser Buhwe, jetz sinse werre uffgeschtieh!“

Zuletzt kamen solche Informationen vor allem von einer taz-Kollegin, die in „Roggehause“ aufgewachsen ist, einem fernen Nebel in der Tiefpfalz, unweit von Kaiserslautern. Sie hält mich auf dem Laufenden. Mit ihr kann ich mich unbeschwert über Spielergebnisse unterhalten, weil wir beide keine Ahnung haben. Und wenn „die Buben“ mal wieder „abgestiegen“ sind, geben wir uns betrübt bis fatalistisch und seufzen Krokodilsseufzer.

Mir ist das genug der Heimatpflege. Ich könnte, käme es darauf an, keinen einzigen Spieler des 1. FC Kaiserslautern nennen. Den Trainer auch nicht. Ich weiß nur, dass der Verein im Fritz-Walter-Stadion spielt, nicht in irgendeiner „Südwestdeutsche-Klassenlotterie-Arena“. Und als ein Kollege neulich statt vom flämischen Maler Breugel oder Bruegel oder Brueghel irrtümlich von einem gewissen „Briegel“ schrieb, da dachte ich nicht ohne Wehmut an die „Walz us de Palz“. Das war’s aber auch schon. Blöd ist nur, dass derzeit ausgerechnet Mainz so erfolgreich ist. Ich dachte immer, die Pfalz wäre zu klein für zwei erfolgreiche Fußballclubs. Aber wahrscheinlich ist das nur eine Glückssträhne. Kaiserslautern? Hat 2:1 in Hamburg verloren. Die hätten andere Spieler kaufen müssen. So wird das wohl diesmal nix mit der Schale. ARNO FRANK

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