Westliche „Kundschafter für den Frieden“

Seit den Anfängen der Bundesrepublik und quer durch alle Parteien war die DDR-Staatssicherheit mit dabei

Probleme der Aufklärung. Bis heute ist unklar, wie viele „Kundschafter des Friedens“ in Westdeutschland dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR zuarbeiteten. Der Grund: Der für die Auslandsspionage zuständigen Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gelang es, in der Phase des Zusammenbruchs des SED-Regimes fast alle ihre Akten zu vernichten. Vom eigentlichen HVA-Aktenbestand sind nach Schätzungen von Marianne Birthler, der Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, nur etwa zehn Prozent erhalten geblieben.

Der erste Fall. Im August 1954 setzte sich der Hamburger Bundestagsabgeordnete Karlfranz Schmidt-Wittmack spektakulär mit Frau und Kind in die DDR ab. Auf einer internationalen Pressekonferenz begründete der Christdemokrat seine Flucht mit der Wiederaufrüstungspolitik Adenauers. Tatsächlich steckte hinter ihr jedoch seine – durch Hinweise aus Verfassungsschutzkreisen genährte – Angst vor Enttarnung: Wittmack, bekannt als Gewerkschafts- und „Sozi“-Hasser, hatte seit 1952 in Stasi-Diensten gestanden.

Späte Erkenntnisse. Der Fall Wittmack ist ebenso wie jener legendäre des Kanzleramtsspions Günter Guillaume von 1974, der den Anlass für Willy Brandts Rücktritt gab, eine große Ausnahme – freilich nur in Bezug auf die Enttarnung. Obwohl es sie auf allen politischen Ebenen stets gab, flog bis zur Wiedervereinigung 1990 kaum ein Stasi-Zuträger in der Politik auf. Das änderte sich nach der Wiedervereinigung – allerdings hatten sich da schon die meisten von ihnen aus der aktiven Politik verabschiedet oder waren bereits verstorben.

Die Enttarnten. Es geht quer durch die Parteien. Bislang gilt als erwiesen, dass unter anderem die Bundestagsabgeordneten William Borm (FDP), Julius Steiner (CDU), Leo Wagner (CSU), Karl Wienand und Gerhard Flämig (beide SPD) für die Stasi arbeiteten. Flämig, der laut Bundesanwaltschaft von 1969 bis 1989 für die Stasi spioniert haben soll, bestreitet allerdings nach wie vor: „Ich weiß nur, dass es zu meinem Prozess nicht gekommen wäre, wenn Herbert Wehner noch gelebt hätte“, schrieb er Mitte August in einem Brief an die FAZ. PAB