: Über die Bio-Bande in die Regale
Weil bei Bio-Siegeln weniger Aufklärungsbedarf besteht, dienen sie fair gehandelten Produkten zum Teil als Eintrittskarte in das Supermarktsortiment. Ein eigenständiges faires Bewusstsein muss noch verstärkt werden
Biologisch angebaute Lebensmittel sind schon seit vielen Jahren aus den Einkaufsregalen nicht wegzudenken. Sie bestimmen das Einkaufsverhalten vieler wesentlich. Fair gehandelte Lebensmittel haben es dagegen noch deutlich schwerer beim Konsumenten. Einen vergleichbaren Stand wie die Biolebensmittel haben sie sich beim Verbraucher noch nicht verschaffen können.
Der Trend, dass fair gehandelte Lebensmittel immer öfter zugleich biologisch angebaut werden, könnte diesem Sachverhalten abhelfen. „Faire Lebensmittel, die zugleich biologisch sind, kommen beim Verbraucher sehr gut an. Das ist ein echter Kaufanreiz“, sagt Brigitte Frommeyer vom Handelshaus Gepa. Nach ihren Angaben verbuchen solche Lebensmittel zweistellige Zuwachsraten. Mittlerweile sind 62 Prozent der Gepa-Produkte zugleich Bioprodukte.
Nach Angaben von Gepa-Vertriebsleiter Michael Klaiber sei die größte Herausforderung, die Stellung im konventionellen Lebensmittelhandel zu stärken. Gepa ist dort schon seit vielen Jahren vertreten, beispielsweise bei Karstadt, Tengelmann und Rewe. „Der Lebensmitteleinzelhandel bietet das größte Zukunftspotenzial“, so Klaiber. Das Schwierigste sei, überhaupt erst einmal in das Sortiment aufgenommen zu werden. „Da die Biolabel bekannter sind als die fairen Siegel, würden wir es ohne den Rückenwind von Bio kaum in die Regale des Lebensmitteleinzelhandels schaffen“, schätzt Klaiber.
Um die Verbraucher möglichst mit bekannten Siegeln anzusprechen, arbeitet Gepa im Lebensmitteleinzelhandel verstärkt mit dem Transfair- Siegel. 90 Prozent der Gepa-Waren tragen es. Die Wachstumschancen für faire Bioprodukte seien neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch in den Bio- und Naturkostläden gut. Hier wie dort steige der Umsatz von Jahr zu Jahr. Zugleich erziele die Gepa, so Kaiber, 54 Prozent ihres Bio-Umsatzes über die Weltläden.
Auf die Verbindung von Bio und Fair setzt im Lebensmitteleinzelhandel insbesondere Karstadt. Der Konzern bietet schon seit 1993 faire Produkte an. Er begleitet sie seit mehreren Jahren mit speziellen Aktionen zur Verkaufsförderung. Die nächste Aktionswoche findet im November statt. Für Klaus Wilmsen, Leiter Qualitätssicherung und Beauftragter für Umwelt, liegt der Schwerpunkt bei diesen Aktionen eindeutig auf dem Aspekt „fair gehandelt“. Denn dort „besteht ein wesentlich größerer Aufklärungsbedarf als bei Biolebensmitteln“, so Wilmsen. Faire Produkte, so seine Erfahrung, müssten ständig beworben werden, sonst gerieten sie aus dem Blickfeld. Bei Biolebensmitteln sei das anders. Ein gutes Beispiel seien die fairen Fußbälle, so Wilmsen. Sie hätten in den vergangenen Monaten wie Blei im Regal gelegen, weil alle die WM-Bälle kaufen wollten. Deshalb werde es im Dezember hierzu eine eigene Aktion geben.
Karstadt sei, so Wilmsen, mit seinen bundesweit 70 Lebensmittelabteilungen, die alle faire Waren anbieten würden, der größte Anbieter in Deutschland. Um die Größenverhältnisse zu wahren, beteilige man sich in Absprache mit Transfair nicht an der Fairen Woche, sondern gehe eigene Wege. Dies solle man aber nicht als Konkurrenzveranstaltung missverstehen, so Wilmsen. Im Übrigen gebe es rund um die Faire Woche nicht genügend verfügbare Multiplikatoren, die die Aufklärungsarbeit übernehmen könnten.
Während Karstadt und Gepa Bio als geeigneten Türöffner für faire Produkte verstehen, teilt El Puente diesen Standpunkt nicht. „Unsere Produkte verkaufen sich auch ohne Biosiegel gut. Deshalb sehen wir einen solchen Zusammenhang nicht“, sagt Juliane Palm von El Puente. Dabei spielt „Bio“ im Sortiment von El Puente eine große Rolle. Etwa 75 Prozent des gesamten Kaffeeumsatzes erzielt das in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegründete Handelshaus für faire Waren mit Biokaffee. Über alle Lebensmittel gerechnet beträgt der Anteil rund 60 Prozent. „Bio und fair ergänzen sich sehr gut, deshalb steigern wir diesen Anteil laufend“, sagt Palm. Ein nicht unerheblicher Teil der verbleibenden 40 Prozent befinde sich in der Umstellung auf Bioqualität. Das Ziel sei, mehr oder weniger nur noch Biolebensmittel anzubieten. Das sei aber Zukunftsmusik, weil die Umstellung auf Bio mehrere Jahre dauere und für die Produzenten ziemlich teuer sei. TILMAN VON ROHDEN