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Archiv-Artikel

Einkauf mit sieben Siegeln

Im Bioladen wird vieles fair gehandelt, aber nur wenig zertifiziert. Ein Grund: Wenn neue, fair gehandelte Produkte auf den Markt gebracht werden, muss geprüft werden, ob es für den zugrunde liegenden Rohstoff bereits Richtlinien gibt

VON KATJA APELT

Seit Jahren kaufe ich im Bioladen ein, ich achte darauf, dass das Fleisch, das ich esse, von (hoffentlich) gesunden Tieren aus der Region und die Eier in meinem Kühlschrank von freilaufenden Hühnern stammen. Glückliche Tiere, gesunde Pflanzen, gutes Produkt. Aber fairer Handel? Wo man Tiere und Pflanzen hegt und pflegt, werden doch sicher auch Menschen fair behandelt. Oder? Ein intensiver Blick in die Regale des Naturkost-Supermarktes irritiert: Das internationale schwarz-blau-grüne „Transfair“-Siegel, dass zertifizierte fair gehandelte Produkte auszeichnet, prangt auf deutlich weniger Etiketten als gedacht. Gepa-Schokolade und -Kaffees, die Tees von Lebensbaum und sogar südafrikanische Weine zieren das Logo. Was aber ist mit all den anderen neuen und alten Produkten, die in den Biosupermarktregalen stehen? Da gibt es das gerade unglaublich angesagte Himalaja-Salz, das aus Pakistan oder Indien stammt, die frischen Papayas kommen aus Sri Lanka, der Sesam aus Paraguay und Leinsamen aus China. Alles bio – aber auch fair gehandelt?

Die gute Nachricht: in vielen Fällen ja. Der Hersteller des Himalajasalzes, Entesegen, versichert etwa, dass das Unternehmen faire Preise für den Abbau des Salzes zahlt und seinen Beitrag zu sozialen Projekten vor Ort leistet. Kinderarbeit wird ausgeschlossen. Auch beim Naturkostunternehmen Davert, das Getreide, Reis, Hülsenfrüchte, Keimsaaten, Trockenobst und Speiseöle verkaufen, ist man sich der Verantwortung für die Lieferanten bewusst. Fair-Trade-Standards wie das Zahlen von Preisen über dem Weltmarktniveau, das soziale Engagement vor Ort, direkter Handel, bei dem kein Geld in undurchsichtigen Strukturen versickert, langfristige Handelsbeziehungen, der Verzicht auf Kinderarbeit oder die demokratische und transparente Organisationsstrukturen des Betriebs werden bei der Auswahl der Partner beachtet.

Ein erstes Produkt von Davert ist nun auch besiegelt. Der Basmati-Reis aus Indien darf sich seit diesem Sommer „Transfair“-Produkt nennen. Auch mit anderen Projekten, etwa einer Kooperation mit dem türkischen Feigendorf Bekirler oder der Zucker-Kooperative UFLA in Südbrasilien, fördert Davert den fairen Handel. Hier aber ohne Transfair-Siegel. „Hersteller im Bio- und Fair-Trade-Bereich müssen für sich selbst entscheiden, ob sie selbst Projekte aufziehen, ein eigenes Siegel erstellen oder sich Transfair-zertifizieren lassen“, sagt Martina Celik von Davert.

Denn um das Siegel zu bekommen, müssen vom Produzenten nicht nur harte Standards erfüllt werden. Derzeit gibt es zudem gerade 16 Produktgruppen, für die überhaupt Zertifizierungsrichtlinien existieren. Dazu zählen neben den Klassikern Kaffee, Tee und Kakao auch frische und getrocknete Früchte, Säfte, Gewürze, Reis, Rohrzucker, Weintrauben, Sportbälle und Baumwolle. „Sobald es seitens der Hersteller und Lieferanten ein Interesse gibt, bestimmte Rohstoffe zertifizieren zu lassen, erarbeiten wir hier die entsprechenden Richtlinien“, sagt Claudia Brück von Transfair.

Für fair handelnde Hersteller bedeutet das: Wenn neue Produkte auf den Markt gebracht werden sollen, muss erst mal geprüft werden, ob es für den zugrunde liegenden Rohstoff bereits „Transfair“-Richtlinien gibt. „Wie lange Transfair benötigt, um Maßstäbe zu erarbeiten, ist je nach Produkt unterschiedlich“, sagt Barbara Schimmelpfennig vom Bio- und Fair-Trade-Produzenten Gepa. Da kann ein neues Produkt schon mal ein paar Monate liegen bleiben.

Doch viele der Markteinführungen seien ohnehin aus Rohstoffen hergestellt, die Gepa bereits im Angebot hat. Dies gelte etwa für die neue Erdnussbutter, aber auch für Schokoriegel und Schokoladenspezialitäten, die derzeit stark im Kommen seien. So gehören zu den neuen Produkten der letzten Monate etwa eine Premium Trinkschokolade, ein Bioknusperriegel und eine Schokolade mit 55 Prozent Kakaoanteil. Auch ein Eistee aus fair gehandeltem Tee ist für die heißen Sommertage neu dazugekommen. In den kommenden Wochen sollen zudem neue Jugendprodukte eingeführt werden.

„Wir prüfen immer, was sich am Markt so tut und was nachgefragt wird“, sagt Schimmelpfennig. Danach würden dann Produktneuheiten kreiert. Es fragten aber auch Lieferanten aus dem Ausland an und wollten ihre Produkte über Gepa verkaufen. Für diese müssten dann oft Zertifizierungsbestimmungen bei Transfair eingeführt oder die Bedingungen überprüft werden.

So etwa für Quinua. Hier wandte sich der bolivianische Hersteller an Gepa. Heute gibt es nicht nur die Transfair-Richtlinien für Quinua. Gepa verkauft das Korn der Inkas, wie es genannt wird, als Getreide und auch in Form von Nudeln.

Und wer nicht weiß, was er mit all diesen fair gehandelten Lebensmitteln anfangen soll, für den gibt es nun auch noch das „Fair-Trade-Kochbuch“.

Wer sich aber im Bioladen für das fair gehandelte Dinner eindecken will, der wird auch in Zukunft nicht hundertprozentig sicher sein können, ob die Zutaten wirklich aus fairem Handel kommen. „Wir müssen einfach mehr über unser Engagement reden und es den Käufern mitteilen“, sagt Davert-Sprecherin Celik. Denn die wären dann gleich wieder ein bisschen beruhigter.