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Archiv-Artikel

CDU-Schlappe Schön reden

Der Mann hat gerade für die CDU das schlechteste Ergebnis seit 1948 eingefahren. Gut zwei Punkte mieser noch als die katastrophalen 23,8 Prozent unmittelbar nach dem Skandal um die Bankgesellschaft vor fünf Jahren. Schweigend haben die Parteifreunde, die im Saal im Abgeordnetenhaus warten, die Zahlen der ersten Prognose geschluckt, später das eine oder andere „Mist“ über die Lippen gebracht. Doch als ihr Spitzenkandidat Friedbert Pflüger eine halbe Stunde später vor ebendiese Parteifreunde tritt, empfangen sie ihn mit stakkatohaftem Applaus, als ob der Wahlsieger durch die Tür käme.

„Die CDU in Berlin ist wieder da nach fünf schweren Jahren, und darüber freuen wir uns“, sagt Pflüger dann auch noch. Und das tun die CDUler im Saal tatsächlich: Sie klatschen und lächeln. Bis auf Nicolas Zimmer vielleicht, den Noch-Fraktionschef, der schmallippig applaudiert. Das kann daran liegen, dass er ab Dienstag seinen Job los sein soll. Denn Pflüger bekräftigt seine Wahlkampf-Zusage, im Land zu bleiben, als Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium aufzuhören und die Fraktion führen zu wollen.

Alles ein Fall von Autosuggestion? Umso mehr, weil kurz darauf der Generalsekretär der Bundes-CDU im Fernsehen sagen wird, man habe in Berlin nicht das erreicht, was man erreichen wollte? So richtig verstehe er die Reaktion im Saal auch nicht, sagt ein führender CDUler der taz. „Trotzig“ nennt es ein anderer. „Unser Ergebnis ist suboptimal – ist doch klar, dass wir uns mehr ausgerechnet haben“, räumt der Landes-Generalsekretär Frank Henkel ein, als sich der Saal etwas geleert hat.

Was Pflüger an diesem Abend seinen danach gierenden Parteifreunden erzählt, ist Ergebnis einer Flucht nach vorn, auf die sich zwei Flure weiter offenbar die Parteigrößen hinter verschlossenen Türen festgelegt haben. Jetzt bloß Geschlossenheit einer in den vergangenen Jahren so zerstrittenen Partei suggerieren, ist aus der Spitze zu hören. Und schon am Dienstag Pflüger zum Fraktionschef wählen – bevor den Mitgliedern klar wird, welche Bauchlandung man hingelegt hat. Offenbar hatten auch führende CDUler ein noch schlechteres Resultat – unter 20 Prozent – intern nicht ausgeschlossen.

Pflüger wird nun von Kamera zu Kamera, von einer Gesprächsrunde zur nächsten gereicht. Wer noch länger im Saal bleibt, ist ein Mann, in dem manche das nächste Problem für die CDU sehen: Ingo Schmitt, der Landesvorsitzende. Schmitt war schon fast alles in der Berliner Politik, er musste 2001 als Generalsekretär gehen und erlebte 2005 ein Comeback ganz oben. Wie soll das gehen mit ihm, der hier jedes Hinterzimmer kennt, und Pflüger, der immer noch neu ist in der Landespartei?

Natürlich sehen weder Schmitt noch Generalsekretär Henkel in der Doppelspitze ein Problem. Man sei hervorragend miteinander ausgekommen, sagt Schmitt. Und überhaupt sei es in der Opposition sinnvoll, die Ämter auf mehrere Schultern zu verteilen. Was genauso schlüssig ist wie der im anderen Fall immer wieder gehörte Satz, man müsse gerade in der Opposition die Kräfte bündeln. Und darum legt sich Schmitt gegenüber der taz auch schon mal darauf fest, im nächsten Jahr wieder als CDU-Landeschef anzutreten. Wie hat es Pflüger doch in seiner ersten Stellungnahme vor den Parteifreunden gesagt: Dieser Abend sei ein „Signal zum Aufbruch“.STEFAN ALBERTI