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Archiv-Artikel

„Diese 7,7 Prozent sind FDP netto“

Der große Wahlverlierer ist nicht nur die CDU, sondern auch die FDP. Trotz der herben Verluste der Christdemokraten gelang es auch den Liberalen nicht, die Stimmen des bürgerlichen Lagers an sich zu binden. Profiteur sind die Grünen, sagt der FDP-Vorsitzende Martin Lindner

taz: Herr Lindner, wer wird Koalitionspartner von Wowereit?

Martin Lindner: Das muss Herr Wowereit entscheiden.

Was ist Ihre ganz persönliche Prognose?

Wenn Rot-Grün mehr Sitze hat als Rot-Rot, glaube ich, dass sich Herr Wowereit für die Grünen entscheidet.

Wie interpretieren Sie das Ergebnis für Berlin?

Es war eine unübersichtliche Parteienkonstellation. Nicht nur die CDU, sondern auch die PDS hat ja massiv verloren. Wir hingegen haben uns wacker geschlagen. Gewählt haben uns unsere Stammwähler. Diese 7,7 Prozent sind FDP netto. Und mit diesem Ergebnis können wir zufrieden sein.

Doch nicht nur die CDU hat verloren, auch die FDP. Schwindet das bürgerliche Spektrum?

Wir haben ja nicht massiv verloren, sondern nur leicht. 2001 hatten wir den Bankenskandal und mit dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt als FDP-Spitzenkandidaten eine Sondersituation.

Aber warum gelingt es auch der FDP nicht, diese bürgerliche Wählerschaft, die der CDU verloren gegangen ist, zu mobilisieren?

Ich gebe zu, dass die Kampagne der Grünen gegriffen hat. Anscheinend gelingt es ihnen, sowohl bei den Linken als auch bei bürgerlichen Wählern zu fischen. Am Schluss des Wahlkampfs haben die Grünen ja explizit die Bürgerlichen angesprochen, als sie offensiv damit warben: Um Rot-Rot zu vermeiden, solle man doch Grün wählen. Diese Option war bei vielen Wählern wohl naheliegender als eine Ampelkoalition.

Es liegt also an den Grünen, die Ihnen die Stimmen im bürgerlichen Lager abgeluchst haben.

Sicher ist Berlin strukturell eine linke Stadt. Keine Frage. Und da haben es die Bürgerlichen sicherlich nicht leicht. Einen neuen Trend würde ich daraus aber nicht ableiten.

Heißt das für die FDP, sich künftig stärker auf eine eher linke Wählerschaft zu konzentrieren?

Wir sind in den vergangenen Jahren einen klaren Kurs gefahren. Das war keine Frage von bürgerlich oder links, sondern die Frage, ob Berlin nach oben kommen will. Wir laden alle Parteien ein, uns dabei zu unterstützen.

Als „eigentlicher Oppositionsführer“, wie Sie sich in den vergangenen fünf Jahren selbst gern genannt haben …

… auch Herr Wowereit hat mir das bescheinigt …

hätten Sie doch durchaus punkten können. Was haben Sie falsch gemacht?

Uns fehlte die Machtoption, um damit unsere Vorstellungen in der Stadt auch konkret umzusetzen. FELIX LEE