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Archiv-Artikel

Der Fall Xuan Khang Ha

EXEMPEL Im brandenburgischen Schwante verhindert 2002 ein Kirchenasyl die Abschiebung eines Vietnamesen und seines Sohnes. Heute besitzt Xuan Khang Ha ein Bleiberecht – und ist dankbar

Acht Jahre musste er warten – dann erst fand das Kirchenasyl von Xuan Khang Ha sein Happy End. Im Februar dieses Jahres sprach das Potsdamer Verwaltungsgericht dem 56-jährigen Vietnamesen ein unbefristetes Bleiberecht aus. „Den Brief habe ich sicher verstaut“, lächelt Ha.

Ha sitzt neben seinem 13-jährigen Sohn Minh Duc im Wohnzimmer seiner Plattenbauwohnung im brandenburgischen Hennigsdorf. Wenn der Vater nach deutschen Worten ringt, springt der Sohn ein. Es war ein Tag vor dem fünften Geburtstag von Minh Duc, im August 2002, erinnert sich Xuan Khang Ha. Er muss zur Ausländerbehörde – und wird verhaftet. Zuvor hatte man ihm die Abschiebung verkündet. Als Vertragsarbeiter war der Schlosser 1988 in die DDR gekommen, nach kurzer Rückkehr nach Vietnam als politischer Flüchtling wieder eingereist. Ha hatte sich exilpolitisch in der „Demokratischen Organisation Vietnam“ engagiert.

In Frankfurt am Main stoppt die Bundespolizei Has Abschiebung, weil sein Sohn nicht dabei ist. Nach sechs Wochen wird Ha entlassen: Sein Sohn, untergebracht bei Freunden, ist nicht auffindbar. Ha bittet um Kirchenasyl. Pfarrer Johannes Kölbel von der evangelischen Gemeinde in Schwante nimmt die beiden im November 2002 auf.

Einen Winter habe er „nur Angst“ gehabt, sagt Ha. Sein Sohn wacht nachts weinend auf. Wie dramatisch die Situation damals gewesen sei, habe er schon mitbekommen, sagt Minh Duc heute. Im Januar 2003 bricht die Polizei das Kirchenasyl – doch die beiden sind nicht in der Kirche. Im Februar setzt ein Gericht die Abschiebung aus, erteilt eine Duldung: Ha drohe doch Gefahr in Vietnam. „Ich war froh, aber noch nicht glücklich“, sagt Ha. Erst im Frühjahr 2010 bekommt er ein sicheres Aufenthaltsrecht.

Das Kirchenasyl sei ein christlicher Auftrag gewesen, Menschen in Not Schutz zu gewähren, sagt Pfarrer Kölbel heute. „Es war eine anstrengende Zeit, aber es war richtig, Vater und Sohn einen geschützten Raum zu verschaffen, um das Verfahren noch einmal in Ruhe zu prüfen.“ Kölbels Prozess wegen Verstoß gegen das Ausländergesetz wird nur eingestellt, freigesprochen wird er nicht. „Ich bereue die Hilfe nicht“, sagt der Pfarrer. „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gibt uns ja recht.“

Jeden Winter, erzählen die Has, treffen sie sich mit dem Pfarrer und den anderen Helfern, brächten kleine Geschenke mit. „Ich kann immer nur wieder danke sagen, was sie für uns getan haben“, sagt der Vater. Jetzt wolle er einfach in Ruhe arbeiten, in einem vietnamesischen Imbiss in Hennigsdorf. Auch Minh Duc, heute Gymnasiast, hat ein Ziel: Dolmetscher werden. „Für Vietnamesen, die neu nach Deutschland kommen.“

KONRAD LITSCHKO