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Archiv-Artikel

„Kaum auszuhalten“

KUNST UND WIRTSCHAFT Gemeinsam mit der Max Clement Foundation begibt sich der Künstler Armin Chodzinski auf die Suche nach einer „Poesie der Wachstumskritik“

Armin Chodzinski

■ 44, geboren in Hamburg, hat nach seinem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig ein Praktikum im Management des Einzelhandelskonzerns Spar gemacht. Als Anthropogeograf hat er über das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft promoviert, das er seit 1998 in Lecture Performances und Ausstellungen untersucht. In der Max Clement Foundation trifft er auf die Musiker Gerd Bauder, Matthias Friedel, Nis Kötting und Herr Armbrecht.

INTERVIEW ROBERT MATTHIES

taz: Herr Chodzinski, was heißt: Wachstum ist vom Heilsversprechen zum unauflöslichen Paradox geworden?

Armin Chodzinski: Das Heilsversprechen, dass die Welt besser wird, wenn die ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Prozesse sich im Wachstum befinden, hat bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch getragen. In den 70ern hat dann der Club of Rome gefragt: Aber auf Kosten von was? Ein System kann in einem begrenzten System nicht unendlich wachsen. Genau an dieser Stelle verkehrt es sich ökologisch, ökonomisch und sozialpolitisch in eine Paradoxie, die kaum auszuhalten ist. Hieß das Abstraktum der Zukunft früher Sehnsucht, heißt es heute Angst.

Was macht Wachstum zur „Allegorie der Unsterblichkeit“?

Die Frage ist: Was macht Wachstum zur Ideologie? Erst seitdem Wachstum mit sozialem Fortschritt verbunden ist, gibt es eine Begrifflichkeit dafür. Vorher war Wachstum ein Prozess, der Vergehen einschließt. Dann ist man bei der Metapher des Herstellens, bei der Gestaltbarkeit: Man schlägt der Natur ein Schnippchen und strebt so etwas wie Unsterblichkeit an. Das steht aber dem im Weg, worum es eigentlich gehen müsste: handeln, politisch und gemeinsam agieren. In der Show geht es darum, einerseits eine Geschichte zu schreiben, was von Malthus’ Überbevölkerungstheorie bis zur Enquetekommission des Bundes verhandelt wird. Und andererseits zu fragen: Warum geht es eben nicht, was ist das Problem, was sind die Auswege oder: Gibt es überhaupt Auswege?

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit der Frage, wie Kunst sich zu wirtschaftlichen Fragen verhalten kann.

Kunst und Wirtschaft sind historisch gesehen immer in Transformationsphasen am engsten miteinander verbunden, weil es dann um Gestaltung geht. Eigentlich hat die Kunst nie einen anderen Auftrag gehabt, als zu fragen: Wie wollen wir leben? Umso virulenter die Frage wird, desto klarer ist die Bedeutung der Kunst. Im urbanen Raum ist es ganz offensichtlich, dass es Kunst und Kultur sind, die versuchen, eine Formsprache zu entwickeln, Diskurse sichtbar zu machen, einen Verhandlungsraum zu eröffnen, im Idealfall sogar einen Handlungsraum.

Sie zitieren gern diese Shell-Studie, die Künstlern und Managern ein ähnliches Psychogramm bescheinigt.

Manager und Künstler treffen sich an einem Punkt: im Gestaltungswillen und der eitlen Hybris, diesen Willen auf andere anzuwenden. Die Unterschiede liegen im Strukturellen, wo es notwendig wird, auch im „Ich und du“ von „Wir gegen euch“ zu sprechen. Das künstlerische Prekariat, das in rhizomatischen Strukturen von Netzwerk zu Netzwerk mit unterschiedlichen Knotenpunkten agiert, hat eine Struktur des Flanierens in der Produktion. Und die anderen haben halt eine Struktur, die sich aufbaut und klare internationale Abhängigkeiten hat und auf Entwicklung, auf Größe, auf Stabilität angelegt ist.

Wie sieht die „Suche nach einer zaghaften Poesie der Wachstumskritik“ aus?

Zum einen wird es extrem musikalisch, knapp zwei Drittel sind Text-Musik-Kombinationen, die an Spoken-Word-Sachen der 60er-, 70er-Jahre andocken, aber auch zeitgenössischer sind. Die Musik hat eine eigene Erzählung darin. Im Pop hat sich interessanterweise diese Sehnsucht und Komplexität im Betrachten der Welt immer gehalten. Das ist für mich eine zentrale Sprache. Meine Welt besteht da quasi nur aus Musikmachpunkten. Wie das funktioniert, weiß ich noch nicht so genau. Aber ich möchte, dass die Leute danach sagen: Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt ungefähr zwanzig Fragen habe und dann ist es gut, gemeinsam am Ende ein Bier zu trinken und mal zu gucken, ob noch ein paar mehr Fragen dazukommen. Eigentlich bin ich sozialphobisch und Kuscheln ist nicht so meins. Aber am Ende führt nicht viel daran vorbei, dass Handeln heißt, sich zu begegnen.

■ „Allegorie der Unsterblichkeit“: Do, 27. 3. bis Sa, 29. 3., 20 Uhr, Kampnagel