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Archiv-Artikel

Serbische Teilrepublik bleibt ein Sorgenkind

BOSNIEN UND HERZEGOWINA Bei den Wahlen dominieren erneut nationalistische Kräfte. Internationale Gemeinschaft sagt weitere Hilfe der Europäischen Union zu und mahnt eine Verfassungsreform an

Gesprächsstoff in Sarajevo bietet der hohe Wahlsieg des kroatischen Mitglieds des Staatspräsidiums

SARAJEVO taz | Die internationale Gemeinschaft betrachtet das Wahlergebnis in Bosnien und Herzegowina mit gemischten Gefühlen. Der Hohe Repräsentant Valentin Inzko versprach zwar weitere Unterstützung der EU, erklärte aber auch, dass das Land noch nicht reif für die Auflösung des Büros des Hohen Repräsentanten sei. Jetzt müsse eine Verfassungsreform in Bosnien und Herzegowina angestrebt werden, sagte er der taz.

Die Exnationalparteien spielen nicht mehr die erste Geige. Nur die kroatische HDZ behauptete sich in ihren Hochburgen. Dafür sind neue Akteure aufgetaucht, die die Rolle der Nationalisten übernehmen. So errang die Partei des muslimischen Medienmoguls Fahrudin Radoncic hinter den nicht nationalistischen Sozialdemokraten und der moderaten bosniakischen Partei SDA den dritten Platz in der bosniakisch-kroatischen Föderation und vier Sitze im 42-köpfigen Parlament des Gesamtstaates.

In der serbischen Teilrepublik beherrscht der überraschende Wahlsieger von 2006, Milorad Dodik, mit seinen Unabhängigen Sozialdemokraten weiter die politische Szene. Seine jetzt nationalistisch ausgerichtete Partei verfehlte aber knapp die absolute Mehrheit im Parlament des Teilstaats und muss sich einen Koalitionspartner suchen. Dodik wurde mit 50 Prozent zum Präsidenten des Teilstaats gewählt und kann jetzt nicht wegen Korruption belangt werden. Die extrem nationalistische Serbische Demokratische Partei SDS kam auf den zweiten Platz.

Entgegen ersten Tendenzen sind die demokratisch-moderaten Kräfte in der serbischen Teilrepublik geschlagen geworden. Die Demokratische Partei von Dragan Cavic, der eine dramatische Kehrtwendung vom Nationalismus zu einem westlichen Demokratieverständnis vollzogen hat, erreicht drei Sitze im 83-köpfigen Parlament der Republika Srpska. Mit der Liberalen Partei kommt das liberal-demokratische Lager nicht über 11 Sitze. Spannend bleibt der Kampf um den serbischen Sitz im dreiköpfigen Staatspräsidium. Der Liberale Mladen Ivanic liegt mit 47 Prozent zwar hinter dem Vertreter der Dodik-Partei Nebojsa Radmanovic (49,76 Prozent), doch 10.000 Stimmen wurden als ungültig gewertet. Hier könnte die Wahl angefochten werden.

Gesprächsstoff in Sarajevo bietet der hohe Wahlsieg des kroatischen Mitglieds des Staatspräsidiums, des Sozialdemokraten Zeljko Komsic, der mit über 300.000 doppelt so viele Stimmen errang wie der siegreiche Kandidat Bakir Izetbegovic bei den Bosniaken. Viele Wähler gaben an, endlich für den ihrer Meinung nach besten Kandidaten stimmen zu dürfen und nicht den aus der eigenen Volksgruppe wählen zu müssen.

ERICH RATHFELDER