: In weiter Ferne so nah
RUNDREISE Man kann in Berlin durch die ganze Welt kommen, zumindest kulinarisch. Eine Entdeckungstour durch ausgefallene und authentische Landesküchen
■ Tian Fu: Uhlandstr. 142, Wilmersdorf, täglich 12 bis 15.30 Uhr und 17.30 bis 23.30 Uhr, Samstag und Sonntag 12 bis 23.30 Uhr, www.tianfu.de
■ Maria Bonita: Danziger Straße 33, Prenzlauer Berg, Do–Mo 12 bis 23 Uhr, mariabonitaberlin.wordpress.com
■ Pan Restaurant: Marienburger Str. 38, Prenzlauer Berg, Mo–So 9.30 bis 23 Uhr, www.pan-restaurant.de
■ Mimi’s Chop Bar: Wissmannstr. 32, Werkstatt der Kulturen, Neukölln, Di–So 11 bis 22 Uhr, sonntags afrikanischer Brunch, facebook.com/aicymimi.eisnerquist
■ East London: Mehringdamm 33, Kreuzberg, täglich 10 bis 23 Uhr, www.eastlondon.de (us)
VON ULRIKE SCHATTENMANN
Die gastronomische Bandbreite Berlins ist so vielfältig und bunt wie ihre Bewohner. Man kann hier tibetanisch, türkisch und sibirisch essen gehen, koscher, halal und vegan. Oft sind es gerade die Restaurants, die ohne großes Tamtam um authentisches Ambiente auskommen, die kulinarisch überzeugen. So sieht etwa das Restaurant Tian Fu, das unter Globetrottern den Ruf genießt, unverfälschte nordchinesische Küche zu offerieren, ziemlich unspektakulär aus. Keine Porzellanlöwen vor dem Eingang, keine Troddellampen an der Decke, dafür schlichte braune Tische und, insbesondere am Wochenende, wenn viele Chinesen anwesend sind, eine amtliche Geräuschkulisse.
Wer hier Ente süßsauer bestellt, ist selber schuld. Er verpasst die ganze Fülle der regionalen Sichuan-Küche: Trocken gebratenes Rindfleisch mit Chilischoten und Sichuanpfeffer, so scharf, dass es einem Tränen in die Augen treibt, kross karamellisierter Schweinebauch, Eierflockensuppe mit Seetang, aber auch Exotika wie Quallensalat oder Phoenix-Krallen. Was aussieht wie schwarze Morcheln, sind in Wahrheit marinierte Hühnerfüße. Kleiner Tipp: Besser abknabbern als -beißen. Die Kralle eines Federviehs herunterzuschlucken, ist für europäische Gaumen doch etwas gewöhnungsbedürftig.
Ungewöhnlich ist mit Sicherheit auch das Maria Bonita. Zumindest für alle, die bei Mexiko an Chili con Carne und Sombreros denken. Im Maria Bonita, einem engen Stehbistro mit knallig pinken Wänden, stapeln sich bunte Emailleteller im Handwaschbecken, die tätowierte junge Frau hinter dem Grill spricht besser Englisch als Deutsch. Kein Ort zum fein Dinieren, sicherlich. Aber allen, die schon mal in Lateinamerika waren, wird das Herz aufgehen. Hier wird das Rindfleisch für die Füllung der Tortillas schon mal zehn Stunden lang gekocht, bis es auf der Zunge schmilzt wie Butter, hier gibt es handgemachte rauchig-scharfe Chipotle Sauce und eine Guacamole, wie sie sein soll: schön stückig, mit feingeschnittenen Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch. Chili con Carne steht übrigens nicht auf der Karte.
Das Spiel mit den Aromen beherrscht auch eine andere Küchenrichtung, die in Deutschland allerdings noch weitgehend unbekannt ist: die philippinische. Schade, denn sie hat einiges zu bieten. „Aufgrund unserer wechselhaften Kolonialgeschichte haben wir unseren eigenen Mix aus spanischer, chinesischer und kreolischer Küche kreiert“, sagt Melanie Kowasch, die vor zwei Jahren das Pan eröffnet hat. Es ist eines von nur zwei philippinischen Restaurants in Berlin.
Man mag es gern deftig auf den südostasiatischen Inseln. Schwein, Huhn und Rind beherrschen die Speisekarte. Knoblauch, Ingwer, Chili und Koriander spielen eine große Rolle, aber auch Salsas und Essige aus exotischen Früchten, etwa Bittermelone oder Calamansi, erzählt Kowasch. Letzteres ist übrigens eine Kreuzung aus Kumquat und Mandarine, schmeckt wie süße Zitrone und ist unverzichtbare Ingredienz für die marinierten Rinderhackspieße. Die gibt es, serviert mit Spiegelei und Reis, schon morgens zum Frühstück. Wenn das nicht authentisch ist!
Wenig lebensecht erscheint dagegen die Einrichtung vieler Restaurants, die mit exotischem Afrika-Flair werben, aber mit Zebrafelltischdecken und Holzgiraffenbesteck einfach nur nach Touristen-Safari aussehen. Wer mal ausprobieren will, wie Krokodil-, Strauß- oder Antilopenfleisch schmecken, soll das natürlich gerne tun. Wer wissen will, wie man in Ghana isst, geht besser zu Mimi Quist. Die serviert in ihrer Chop Bar, einem kleinen Selbstbedienungsrestaurant mit lauschigem Garten in Neukölln, westafrikanische Hausmannskost. Täglich stehen zwei Gerichte zur Auswahl. Etwa knusprig frittierte Kochbananen und pikante, mit Knoblauch gewürzte Schwarzaugenbohnen. Oder Mafé, eine Art Eintopf mit Maniok, Rindfleisch und Erdnusssauce. Oder Spicy Chicken, gewürzt mit Rosmarin und Thymian, dessen Schärfe sich langsam von der Zunge in den Gaumen ausbreitet – ein echtes Erlebnis.
Das ist übrigens auch der Besuch in dem einzigen englischen Restaurant Berlins, dem East London. Dessen Chefin Nadine Sauerzapfe ist angetreten, „um mit dem schlechten Ruf der englischen Küche aufzuräumen.“ Und ja, es ist ihr gelungen. Nichts erinnert in den hellen Räumlichkeiten mit den rohen Ziegelwänden an die Muffigkeit altenglischer Pubs. Am Sonntag treffen sich hier Expats und Einheimische an einer langen Tafel zum Sunday Roast, dem klassischen englischen Sonntagsbraten mit Kartoffelbrei und Yorkshire Pudding. Eine Tradition, die in Deutschland fast schon in Vergessenheit geraten ist.