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Archiv-Artikel

„Einer von uns“ hat genug

Popmusiker Wolfgang Petry, 54, will seine Fans nicht hassen. Deshalb beendet er nun sein Leben als Star

Wie toll ist es eigentlich, ein Star zu sein? Angestarrt zu werden auf der Straße? Wolfgang Petry, deutscher Schlagersänger, ist Experte auf diesem Gebiet – jetzt verkündete er nach 30 Jahren Bühnenkarriere überraschend das Aus. „Es ist schön, ein Musikant zu sein, aber es ist grausam, ein Star zu ein“, begründete Petry am vergangenen Wochenende seinen Rückzug.

Zehn Millionen Platten hat der 54-jährige Petry aus Köln laut Angaben seiner Agentur verkauft, darunter Hits wie „Verlieben, verloren, vergessen, verzeihn“, „Weiß der Geier“ oder „Wahnsinn“. Hunderttausende Fans besuchten die Konzerte des gelernten Feinmechanikers, der seit 34 Jahren mit derselben Frau verheiratet ist. Das karierte Hemd und die lockige Matte waren das Markenzeichen von „Wolle“ – und natürlich der Wust aus Freundschaftsbändern seiner Fans, die er zeitweise nicht mal nachts ablegte. Alles nur Show?

„Mich hat die zunehmende Bekanntheit nachdenklich und verschlossen gemacht“, sagte Petry, der sich besonders über penetrante Hoteldirektoren und Gaffer an den Verkehrsampeln beklagte. Deren Zudringlichkeiten seien eine „Form der Freiheitsberaubung gewesen“. Auch habe er seine Stimme im Laufe der 30 Jahre überbeansprucht.

Doch es gibt auch einen hirnphysiologisch erklärbaren Mechanismus von Starruhm und Überdruss, erklärt der Göttinger Psychiater Borwin Bandelow, Autor des Buches: „Celebrities. Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein“ im Gespräch mit der taz. Zu Beginn einer Bühnenkarriere sei der Beifall des Publikums wie eine Droge, er rege „die Endorphinausschüttung im Belohnungszentrum des Gehirns“ an. Die negativen Seiten des Starruhms wie eine gestörte Privatsphäre fielen daher weniger ins Gewicht.

Mit der Gewöhnung an den Prominentenstatus ließe sich die Endorphinausschüttung im Gehirn aber nicht mehr steigern. Wenn ein Star die Bestätigung durch das Publikum sogar regelrecht erwarte, dann rege sich kaum noch etwas im Belohnungszentrum, wenn der Beifall aufbrande, so Bandelow. Dann aber fallen die negativen Seiten des Starruhms voll ins Gewicht. Sich rechtzeitig zurückzuziehen, „kann daher ein Zeichen von psychischer Gesundheit sein“, meint Bandelow. „Wolle“ jedenfalls möchte sich laut eigenen Angaben auf dem Kölner Weihnachtsmarkt endlich mal wieder unerkannt „hinten anstellen“ dürfen. BARBARA DRIBBUSCH