: Land verzettelt sich
Verein „Mehr Demokratie“ plant Unterschriftensammlung für ein neues NRW-Wahlrecht: „Schlechter Witz“ der schwarz-gelben Koalition. CDU und FDP ringen um Einigung bei Amtszeit der Bürgermeister
VON MARTIN TEIGELER
Der Verein „Mehr Demokratie“ droht der schwarz-gelben Koalition mit einer Volksinitiative für ein neues Kommunalwahlrecht. Falls sich CDU und FDP nicht auf eine durchgreifende Gemeindereform einigen, wollen die Direktdemokraten Unterschriften für eine grundlegende Novelle sammeln. Würden hierfür 66.000 Bürger unterschreiben, müsste sich der Landtag damit beschäftigen. „Wenn Schwarz-Gelb die Reform kalt begräbt, wäre das ein schlechter Witz“, sagt Daniel Schily, NRW-Landesgeschäftsführer von „Mehr Demokratie“. Der Verein kritisiert Überlegungen in der CDU/FDP-Regierung, auf die im Koalitionsvertrag erwähnte Einführung von „Kumulieren und Panaschieren“ zu verzichten.
Im Zuge des Koalitionsstreits um die neue NRW-Gemeindeordnung muss offenbar nicht nur die umstrittene Verlängerung der Bürgermeisteramtszeit von fünf auf acht Jahre neu verhandelt werden – auch weitere schwarz-gelbe Pläne werden noch einmal überdacht. „Da kommt natürlich auch anderes auf den Tisch“, heißt es aus der Regierungskoalition. „Beide Seiten müssen kompromissbereit sein“, sagt ein Abgeordneter.
Zur Verhandlungsmasse gehört somit offenbar auch das Mehrstimmenwahlrecht (siehe Kasten) – obwohl CDU und FDP es in anderen Bundesländern längst eingeführt haben. Der Verein „Mehr Demokratie“ fordert die Landesregierung deshalb auf, ihre „bisher fortschrittliche Position“ zum Wahlrecht nicht aufzugeben. „Es darf nicht sein, dass NRW die letzte Fluchtburg für ein zurecht aussterbendes Wahlrecht wird“, so Schily.
Die Fraktionsvorsitzenden Helmut Stahl (CDU) und Gerhard Papke (FDP) wollen laut Agenturberichten in einem Vier-Augen-Gespräch eine Lösung im Koalitionsstreit vorbereiten. Der CDU-Landesparteitag in Münster hatte die ursprünglich geplante Entkopplung von Bürgermeister- und Stadtratswahlen am vergangenen Wochenende verworfen (taz berichtete). Die Liberalen halten bislang an terminlich getrennten Wahlen für die Stadtoberhäupter und -parlamente fest. Beide Positionen sind unvereinbar, die Kompromisssuche dürfte sich schwierig gestalten.
CDU-Lokalchefs an Rhein und Ruhr kommentieren den von der Parteibasis erzwungenen Kurswechsel zurückhaltend bis positiv. „Wir können auch mit einer Kompromisslösung leben“, sagt ein Sprecher von Kölns CDU-OB Fritz Schramma. Der christdemokratische Rhein-Sieg-Landrat Frithjof Kühn begrüßte den Parteitagsbeschluss und lud FDP-Fraktionschef Papke zu einem Gespräch ein: „Die FDP will die Entkopplung der Wahlen. Ich habe gute Argumente dagegen und würde die FDP gerne davon überzeugen.“ Beim kleinen Parteitag am kommenden Samstag in Soest müssen die Liberalen aber zunächst einmal unter sich klären, ob sie für die Gemeindereform einen richtigen Koalitionskrach anzetteln wollen.