: Kuhn geht auf Westerwelle los
Grünen-Fraktionschef verteidigt Bundeswehr-Einsatz im Libanon gegen Kritik der anderen Oppositionsparteien. Bei Tests vor heutiger Abstimmung wenige Abweichler
BERLIN taz/rtr ■ So schnell kann es gehen: Gerade waren die Grünen selbst noch unschlüssig, ob sie den Nahosteinsatz der Bundeswehr unterstützen sollen, gestern übernahmen sie die Rolle der lautesten Verteidiger. „Wir sind auch dafür, weil es um eine Stärkung der Vereinten Nationen geht“, sagte ihr Fraktionschef Fritz Kuhn im Bundestag. Besonders wichtig sei, dass sich Israel und der Libanon eine deutsche Beteiligung an der UN-Mission wünschten: „Weil beide Seiten sagen: ‚Ja, das ist ein guter Einsatz‘, wird unsere Vermittlerrolle gestärkt und nicht geschwächt.“
Den Einsatz soll der Bundestag heute beschließen. Bei Probeabstimmungen waren gestern 6 Unionsabgeordnete gegen den Einsatz, 3 enthielten sich. Bei der SPD sagten etwa 15 Nein. Grünen-Chef Kuhn geht von maximal 10 Nein-Stimmen in seinen Reihen aus. Bei der FDP wichen bei einem Test 6 Abgeordnete von der Linie der Parteispitze ab, den Einsatz abzulehnen. Damit wäre die Entsendung der 2.400 Marinesoldaten in den Libanon beschlossen.
Während Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sachlich-staatstragend um Zustimmung warben, griff Kuhn FDP und Linke wegen deren ablehnender Haltung an. „Aus einer besonderen Verantwortung kann auch eine besondere Ausrede werden“, rief der Grüne den Liberalen zu. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte sein Nein in den letzten Wochen mit dem Argument begründet, „vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte“ sollten keine deutschen Soldaten in den Nahen Osten ziehen.
„Westerwelle ignoriert völlig, dass beide Seiten darum gebeten haben“, sagte Kuhn. Weil der FDP-Chef gestern keine Rede hielt, warf ihm der grüne Kollege vor, zu „kneifen“. Eine Anspielung auf das Unbehagen mancher Liberaler wie Ex-Außenminister Klaus Kinkel, die sich um das Image ihrer Partei sorgen, weil neben der FDP nur die Linkspartei gegen den Einsatz votiert.
Den Vortrag von Linken-Chef Gregor Gysi wiederum nannte Kuhn einen „Besinnungsaufsatz“, der das Niveau der Debatte nicht angehoben habe. Gysi hatte auf das schwierige Verhältnis vieler Deutscher zu Israel hingewiesen: „Normalität kann man nicht durch Soldaten und Geschütze herstellen.“ Er kritisierte, dass die Regierung einerseits Waffenlieferungen an die Hisbollah verhindern, andererseits aber neue U-Boote an Israel liefern wolle. LUKAS WALLRAFF