: „Ich gehe lieber in den Kampf“
Thomas Pommer, Moderator des NDR-Satiremagazins Extra 3, ist froh, dass es so Menschen wie den rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger gibt. Wie die Jubiläumssendung heute Abend aussehen wird, weiß er aber noch nicht so genau
INTERVIEW VONBENNO SCHIRRMEISTER
taz: Herr Pommer, über was lassen sich keine Witze machen?
Thomas Pommer: Sie können über alles, alles auf der Welt Witze machen. Nur wenn Sie über etwas ganz Böses Witze machen wollen, brauchen Sie einen absolut hochkarätigen Witz. Aber natürlich gibt es Themen, die bei uns nicht stattfinden.
Welche?
Sagen Sie mir ein Thema, und ich sage Ihnen, ob wir einen Witz drüber gemacht haben.
Nazis in Mecklenburg-Vorpommern?
Aber unbedingt. Die bringen die Satire selber mit – da müssen wir nur noch abbilden.
Den rechtsextremistischen Anwalt Jürgen Rieger hat man auch schon in Extra-3-Filmen gesehen…
Das ist doch etwas, da muss man doch dankbar sein. So was wie Rieger – da sagen wir natürlich jeden Morgen Gott sei Dank, dass es den gibt. Der füllt unser Programm.
Das gar nicht so leicht einzuordnen ist: Ist Extra 3 humoristisch, witzig oder informativ? Wie labelt Sie der NDR ?
Ah! Endlich können wir mal diese Frage beantworten. Das fragt man sich ja gerne selbst mal. Was sind wir denn eigentlich: Sind wir lustig? Oder machen wir Politik? Oder beides? Was das Programm-Schema angeht, gelten wir als Zeitgeschehen-Sendung.
Zeitgeschehen!
Der Begriff des Zeitgeschehens ist glücklicherweise weitläufig – alles passiert irgendwie in der Zeit. Und wir sind ein Teil davon.
Ganz offensichtlich. Schließlich wird Extra 3 jetzt 30 Jahre alt. Ist das für Sie nicht die größtmögliche Katastrophe?
Das ist wirklich schlimm. Ich glaube es gab sogar einmal einen NDR-Intendanten, der gesagt hat, dass das die größte Verschleppung war, dass es Extra 3 noch immer gibt. Aber der Mann ist immerhin ehemaliger Intendant. Wahrscheinlich deswegen.
Okay. Aber für Sie persönlich, als Moderator, der erst seit zweieinhalb Jahren dabei ist …
Ich weiß, ich kenne das Gefühl. Manchmal schaut man abends Extra 3 und denkt sich: Wo ist der Jörg Tadeusz geblieben. Aber Gott sei Dank, Gott sei Dank kommt er heute wieder. Wenn auch nur kurz.
Wenn also die ganzen Altmoderatoren kommen, also die Väter ihrer Sendung…
Die kommen doch gar nicht alle. Börner und Tadeusz kommen.
Gut. Die großen Legenden jedenfalls.
Die großen Legenden.
Befragen Sie die dann? Oder umgekehrt?
Ja. Das heißt, das wissen wir auch noch nicht. Wir sitzen da alle. Was dann passieren wird, das wird man heute Abend erst sehen, wer wen befragt. Wir werden sehen.
Besteht da nicht die Gefahr, in Ehrfurcht zu erstarren? Das war schließlich die Sendung mit der man groß geworden ist als Mediennutzer …
Wir haben uns ja alle lieb. Wir freuen uns, dass wir uns wiedertreffen. Und ich glaube, keiner erstarrt in Ehrfurcht. Aber ich weiß, wen ich da vor mir habe. Und ich weiß, dass das ganz große Namen sind. Viele Menschen haben nicht einmal Extra 3 gesehen, damals, und wissen trotzdem genau, wer Börner ist.
Extra 3 scheint eine eigene Interview-Technik zu kultivieren – nämlich den Studiogast mit einer These zu übertölpeln.
Nein, das gibt’s nicht. Was wir versuchen, ist, es jedes Mal neu und anders zu machen. Wenn dem so wäre, wäre es ja schon wieder vorhersehbar, wie wir es machen. Es ist jedes Mal anders. So wie wir es für richtig halten, oder wie ich denke, in dem Moment, dass es den Gast vielleicht am meisten überrascht.
Ist das nicht doch eine Masche?
Wir versuchen natürlich jedes Mal nicht vorhersehbar zu sein, damit der Gast andere Antworten gibt als sonst. Und wir haben die Chance, anders zu fragen, als normale Journalisten. Wir haben das Ziel, die Gäste zu verunsichern, damit sie genauer über ihre Antworten nachdenken müssen. Das geht mit ausgefallenen Fragen natürlich besser.
Also geht es darum, die Vaterrolle der Autoritäten zu unterwandern.
Ja, dass nicht andauernd die Kassetten eingeschoben werden.
Braucht man als Extra-3-Moderator einen Vaterkomplex?
Welchen Vaterkomplex bräuchte ich denn? An welchen Vater denken Sie denn?
Naja, klassisch, Ödipus halt. Freud schreibt: „Der Witz stellt eine Auflehnung gegen Autorität dar.“
Nein. Dann beantworte ich die Frage eben mit Nein. Braucht man nicht.
Woraus speist sich sonst der Wunsch, die Gäste zu verunsichern?
Tja. Wir haben ja zwei Ziele in dem Interview – tatsächliche Antworten zu bekommen, Wahrheiten herauszubekommen. Und das Ganze soll unterhaltsam sein. Ein Irrglaube ist oft, dass wir uns Gäste einladen, um sie rund zu machen. Das stimmt überhaupt nicht. Das Ziel ist, dass man Dinge hört, wo sich der Politiker eventuell ein bisschen selbst verrät.
Sind Sie dabei noch immer der Platzhalter von Tadeusz?
Ich glaube, die Extra-3-Moderatoren haben nie Rollen gespielt, die dann der nächste übernommen hätte. Jeder ist da so, wie er ist. Wenn Sie andere Menschen haben, dann wirken die anders – automatisch. Jörg Tadeusz ist mit Sicherheit mehr der freundliche und nette, der es darüber schafft den Leuten etwas rauszulocken.
Und Sie?
Ich gehe lieber in den Kampf. Es ist schon so, dass ich an einigen Stellen bestimmt nicht für den Gast der Sympathieträger bin.
Sie würden auch nie mit einem Studiogast singen?
Nein. Das liegt aber daran, dass ich nicht singen kann.
Komisch. Sie haben doch Schauspieler gelernt. Da lernt man doch auch singen.
Mist. Ja. Erwischt. Ich kann singen. Ich tu’s einfach nicht. Das war aber auch schon vor meiner Zeit so, dass nicht mehr gesungen wurde. Das ist auch keine Innovation, die ich gebracht hätte, dass ab sofort nicht mehr gesungen wird. Der Musiker Marc Scheibe war auch zum Schluss bei Tadeusz nicht mehr dabei, dann kam die „Hausmeister-Tochter“ Jeannine Kunze. Dass ich das ganz alleine mache, ist eine Innovation von mir.
Fehlt dadurch nicht ein versöhnliches Ende ?
Wollen wir denn überhaupt ein versöhnliches Ende? Es ist wie es ist, der Gast hat sich gefühlt, wie er sich gefühlt hat, und ob er am Ende froh ist oder nicht – das ist gar nicht entscheidend. Und außerdem: Jeder Gast darf bei uns nach der Aufzeichnung Schnittchen auf Kosten des Gebührenzahlers essen. Das ist doch versöhnlich.
Das sieht aber keiner.
Nein, wir verbrüdern uns erst, wenn die Kameras aus sind.
Das ist jetzt schon wieder eine Spur desillusionierend…
Nein, verbrüdern ist es ja auch nicht. Wir sitzen einfach zusammen und trinken noch etwas. Aber es gibt auch welche, die wollen nicht mehr mit uns zusammen sitzen und was trinken. Die sitzen lieber alleine.
Aber Schnittchen essen alle?
Schnittchen essen wir dann ohne den Gast.
Zum Jubiläum gibt es lauter Grußadressen. Ist das nicht unangenehm?
Okay, wenn alle Politiker sagen würden: Prima Sendung, das wäre problematisch. Aber die Glückwünsche nehmen wir gerne entgegen. Wir haben doch auch der CDU zum 50. gratuliert. Das Schlimmste, was uns passieren kann – oder was uns mal passiert ist, das war, als Guido Westerwelle in laufender Sendung nach einem Beitrag gesagt hat: Tolle Satire. Dann kommt der Autor hinterher in den Raum. Wenn Guido Westerwelle etwas für gute Satire hält, dann haben wir einen Fehler gemacht.
Sie trauen Westerwelle überhaupt keinen Geschmack zu?
Doch. Aber nicht meinen. Allerdings ist er trotz allem einer meiner liebsten Gesprächsgäste. Er ist immerhin gegangen während eines Interviews – da ist man schon dankbar.
Wie oft braucht Extra 3 so einen Eklat?
Das war nicht im Studio, es war quasi auf seinem Hoheitsgebiet, auf einer Wahlkampfveranstaltung der FDP, da kann er hingehen, wo er will. Und weil wir eine Satire-Sendung sind, war es auch kein Eklat. Das ist, wenn es passiert, schön. Aber es wird nicht provoziert. Es bringt uns ja nichts, wenn er geht, weil ich ihn beschimpfe. Das brauchen wir nicht. Es gab meines Wissens in meiner Zeit aber auch noch keinen größeren Eklat mit einem Politiker der hinterher bös auf uns war.
Allerdings ist die Stimmung gegenüber Satire momentan sehr empfindlich, oder?
Das ist richtig. Ich muss aufpassen, was ich jetzt sage, damit nicht demnächst in Pakistan irgendwelche Extra-3-Flaggen brennen. Was man an Mails zu bestimmten Themen bekommt, das ist schon teilweise bombastisch. Vor allem bei Tieren.
Tiere sind tabu?
Für uns nicht. Aber Sie merken an der Menge der Zuschriften: Sie können alles Mögliche machen. Sie können einen Politiker beschimpfen. Aber lassen Sie einmal einen Hasen einen kleinen Schlag abbekommen, weil’s passt – das gibt Ärger. Da kommen die Tierschutzverbände.
Und die sind intensiver als die religiösen Gruppen?
Die kommen noch vor den Katholiken und den Muslimen, ja.