: Fetisch Malerei
AUSSTELLUNG Victor Man ist der Artist of the Year der Deutschen Bank. Mit „Zephir“ hat ihr Preisträger jetzt seine Soloschau Unter den Linden. Er zeigt eine stupende Maltechnik. Was er zudem kann: das Licht erstrahlen lassen
VON BRIGITTE WERNEBURG
Das Licht ist gedämpft, die Wände sind mit braunem Stoff bespannt. Dass die Atmosphäre ins Sakrale neigt, liegt vor allem an einem schmalen, hohen Bleiglasfenster gleich im ersten Ausstellungsraum. Auf dieses Material und seine besondere Farbigkeit trifft man sonst in Andachtsräumen. Das Material und seine Verwendung im meterhohen Fensterformat mit einer Art Engelsflügel als skulpturaler Auswuchs ist neu im Werk des Künstlers Victor Man, das seit dem Wochenende in der KunstHalle Unter den Linden 13/15 zu sehen ist. Die Schau umfasst Arbeiten aus der Zeit von 2006 bis heute, und es zeigt sich, dass ausgerechnet der Artist of the Year 2014 der Deutschen Bank – ungewöhnlich für unsere Zeit – im Allgemeinen das kleine Format bevorzugt.
In stupender Maltechnik setzt er die Ölfarbe in vielen Schichten auf die Leinwand, die er gerne auf Holz montiert. Zweimal in der Ausstellung unterlegt er die Bildtafel dazu mit einem wärmenden Pelzchen. Das Bild tritt so als ein eigenständiges Objekt auf, es ist kein Fenster zur Welt, sondern eine kostbare Erfindung, die es zu bestaunen und bedenken gilt. Ein Fetischobjekt. Und seltsame Fetischobjekte glaubt man auch in den Bildmotiven zu erkennen. In „Grand Practise“ (2009), einem für Victor Man großen Format, entdeckt man einen Schwarz in Schwarz gemalten, in Latex und Leder geschirrten Kentauren, der seltsam unstimmig im Oberköper Pferd und im Unterleib Mensch ist.
Befremdlich auch „The Chandler“ (2013), der als eine Dame erscheint, die ihren Kopf im Schoß trägt. Gleich drei Mal hat sie der Künstler in ein enges, aus Stellwänden gebildetes Kabinett gehängt, und zwar derart, dass die Bildträger im Zusammenspiel mit modernster Lichttechnik zierlich flammende Schlagschatten auf die Wand werfen. Fast meint man, der Künstler habe diesen kleinen, geheimnisvollen Lichtsaum eigenhändig auf die Wand gemalt. Er kann das nämlich, das Licht erstrahlen lassen und seiner kopflosen Gestalt so leuchtend flaschengrüne Strümpfe anziehen, dass man in Ehrfurcht vor ihrem Glanz verharrt.
Zweifellos, „Zephyr“ feiert die Malerei – und ihre Geschichte. Dabei geht die Referenz nicht nur auf die altmeisterliche Technik, die Victor Man so perfekt beherrscht, dass man ihm jederzeit das Potenzial zu einer großen Fälscherkarriere attestierte, sie geht auch auf die Motive und Titel der Altmeistergemälde, die seine Leinwände auf eine seltsam vertrackte Weise als zeitgenössische Malerei neu erfinden. Das traditionell aus Mann und Frau gebildete Paar sitzt dann in Verner Pantons „Heart Cone Chair“ aus den 1950er Jahren und der Latexfetischist auf dem Pelzchen ist ganz deutlich nach Leigh Bowery modelliert.
Mit Victor Man haben die Deutsche Bank und ihre Sachverständigen Okwui Enwezor (Haus der Kunst), Hou Hanrou (Maxxi Museum), Udo Kittelmann (Nationalgalerie) und die Kuratorin Victoria Noorthoorn einen Künstler gefunden, der eigensinnig genug scheint, um den Hype, der zuletzt um ihn entstanden ist, zu überdauern. Seine Karriere ist spektakulär. Der 1974 in Rumänien, im siebenbürgischen Cuj (Klausenburg) geborene Künstler stellte erstmals 2005 in seiner Heimatstadt aus und zwar im Projektraum Galeria B, den die Künstler Mihai Pop und Adrian Ghenie betrieben. Schon zwei Jahre später repräsentierten Galeria B und ihre Künstler, darunter Victor Man, Rumänen auf der Biennale von Venedig. Danach suchten renommierte Kunsthallen und Galerien von Bukarest bis Los Angeles mit den dunklen, geheimnisvollen Bildwelten Victor Mans zu punkten.
■ Bis 22. Juni, KunstHalle, Unter den Linden 13/15, täglich 10–20 Uhr, tägliche Führung 18 Uhr, Lunch Lecture Mittwochs 13 Uhr