: Nicht sauber, sondern rein
Das Kultusministerium will diskriminierende Fernseh-reklame verbieten. Ist dies das Ende der Werbung?
Werbung funktioniert über nackte Haut, überdimensionale Dekolletés und stilisierte Identifikationsfiguren. Der lustige Friese, die pubertierende Chipsesser-Clique, der smarte Bausparer. In der Werbelandschaft spiegelt sich, wenngleich meist bis zur Unerträglichkeit überspitzt und das Schlechte gut ausgesiebt, unsere Welt: Kinder,Alte, Schwule, Brillenträger, Frauen, Männer, Doofe, Nette, Spießer.
Geht es nach Bernd Neumann (CDU), wird es in deutschen Wohnzimmern in der Werbepause bald zivilisierter und einseitiger zugehen.
Wie das Handelsblatt gestern berichtete, will der Kulturstaatsminister eine Änderung der EU-Fernsehrichtlinien von 1989 durchsetzen. Die besagen, dass politische und religiöse Überzeugungen durch Werbung nicht verletzt werden dürfen.
Der Änderungsantrag Neumanns enthalte schärfere Anti-Diskriminierungs-Regeln und ein Verbot von Fernsehwerbung, die Menschen „aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ diskriminiert“, heißt es.
2003 scheiterte ein ähnlicher Vorschlag von Seiten der EU-Kommission am Protest der Werbebranche – unterstützt von der letzten Bundesregierung.
Die Behörde des Bundesbeauftragten für Kultur wollte sich auf Anfrage der taz noch nicht äußern. Man arbeite jedoch an einer offiziellen Stellungnahme.
Dass Fernsehwerbung nervt, obendrein meist dumm und nicht selten sexistisch ist – ein alter Hut. Das zeigt auch die Zahl der Beschwerden – 114 davon sind in der ersten Jahreshälfte beim Werberat eingegangen: 39 gegen frauenfeindliche Werbekampagnen, 14 aufgrund von Gewaltverherrlichung und elf wegen der Verletzung religiöser Gefühle in der Werbung. 33 Unternehmen mussten ihre Werbung daraufhin zurückziehen.
Eine Verschärfung der Fernsehrichtlinien würde bedeuten, dass die Spielräume für Werber kleiner und die für Kritiker größer werden. Man muss sich fragen: Wer eignet sich noch zum Werbeträger?
Denn wo beginnt diskriminierende Werbung? Ist der segelohrige Jüngling, der aufgrund eines Deodorants zum Frauenschwarm wird, Opfer der Diskriminierung oder sind es die Frauen, die durch diesen Manipulationsmechanismus diskriminiert werden? Sollen sämtliche Friesen gegen den norddeutschen Bierhersteller ins Feld ziehen und die Autonomen Anzeige gegen den Bausparanbieter erstatten?
Laut Handelsblatt will Naumann auch die Werbung verbieten, „die in sonstiger Weise die Menschenwürde verletzt sowie den Schutz der Umwelt gefährdet“. Da dürfte sich die Opposition freuen – gefährdet nicht auch Autowerbung letztendlich den Schutz der Umwelt?
Mit Spannung erwarten wir die Stellungnahme der Behörde des Bundesbeauftragten für Kultur. Und überlegen bis dahin, ob der Änderungsantrag des Kulturstaatsministers nicht ein geschickt getarnter Versuch der Cineasten-Lobby sein könnte, der Fernsehwerbung den Garaus zu machen. Die Menschenwürde verletzt Werbung eigentlich immer – zumindest die der Zuschauer. KIRSTEN REINHARDT