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Archiv-Artikel

Metaller werden weich

Die Stahlindustrie bekommt einen neuen Tarifvertrag. Verhandelt wurde nicht nur über mehr Lohn. Die Tarifpartner haben auch an ältere Mitarbeiter und den demografischen Wandel gedacht

VON ANDREAS WYPUTTA

Die Metallindustrie betritt tarifpolitisches Neuland. Mit dem gestern Morgen abgeschlossenen Tarifvertrag für die 85.000 Beschäftigten der nordwestdeutschen Stahlindustrie beschäftigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstmals mit dem demografischen Wandel und den daraus resultierenden längeren Lebensarbeitszeiten. „Unser Ziel ist die altersgerechte Gestaltung und damit eine Humanisierung der Arbeit“, so der Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen, Detlef Wetzel, zur taz.

Betriebsräte und Arbeitgeber vor Ort sollen nun Konzepte für eine geringere Belastung gerade älterer Stahlkocher erarbeiten. Durch flexible Einsatzpläne und Arbeitszeiten sollen sie im Betrieb mithalten können, Teams aus Mitarbeitern aller Altersgruppen sollen individuelle Härten abmildern.

Ein Ausscheiden vor dem künftigen Renteneintrittsalter von 67 Jahren dürfte aber weiterhin möglich sein: Auf Langfrist-Arbeitszeitkonten sollen etwa Überstunden angespart und so die Lebensarbeitszeit verkürzt werden. Die Gewerkschaft hofft, das Durchschnittsalter der Beschäftigten trotz des formal späteren Renteneintritts zu verringern und so Perspektiven für Jüngere zu schaffen. „Auch jüngere Arbeitnehmer sehen die späte Rente als Problem“, sagt Wetzel. „Die Frage ist doch: Wie gestalten wir Arbeit so, dass man gesund zur Rente kommt, wie schaffen wir Platz für Jüngere?“

Verbindlich festgeschrieben werden sollen die neuen Konzepte zwar erst in der nächsten Tarifrunde. Die Wissenschaft jedoch spart schon jetzt nicht mit Lob. „Die Tarifparteien der Metallindustrie betreten absolutes Neuland“, sagt Matthias Knuth, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Gelsenkirchener Instituts Arbeit und Technik. Die tarifliche Ausgestaltung des demografischen Wandels sei „ein Riesenfortschritt“, der Vorbildcharakter für andere Branchen habe. Allerdings seien flexible Lösungen in der großbetrieblich organisierten Stahlindustrie leichter umzusetzen als in mittelständisch geprägten Wirtschaftszweigen.

Die Stahlkocher können sich auch über eine kräftige Lohnerhöhung freuen. Löhne und Gehälter steigen ab Januar kommenden Jahres um 3,8 Prozent, hinzu kommen zwei Einmalzahlungen von 500 und 750 Euro. Weniger erfreut zeigen sich deshalb die Unternehmer: „Zufrieden ist man mit einem so hohen Abschluss natürlich nie“, muss der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Stahl, Volker Becher, einräumen. Zufriedenheit herrscht dagegen in der Frankfurter Zentrale der IG Metall. Mit der „gesundheits- und altersgerechten Gestaltung der Arbeitsbedingungen“ werde „tarifpolitisches Neuland“ betreten, betont auch der Zweite Bundesvorsitzende, Berthold Huber: „Dieser Tarifabschluss bringt Geld und Perspektive.“ Der Tarifvertrag der Metaller hat eine Laufzeit von 13 Monaten und gilt bis Ende Januar 2008.

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