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Archiv-Artikel

„Es tobt ein kalter Krieg um Bodenschätze“

Die rohstoffreichen Länder sind gleichzeitig oft die ärmsten, weil korrupte Politiker und internationale Konzerne den Profit abschöpfen. Dagegen helfen nur Transparenz und Bloßstellung der Täter, sagt Patrick Alley von Global Witness

taz: Herr Alley, die meisten rohstoffreichen Entwicklungsländer gehören zu den ärmsten Ländern der Welt. Wie kommt das?

Patrick Alley: Das liegt daran, dass Regierungen in Ländern wie etwa Angola, Kongo oder Liberia nicht im Interesse ihrer Bevölkerung handeln. Es gibt dort Probleme mit korrupten Politikern und zu wenig Regulierung. Unrechtmäßig profitieren aber auch viele Unternehmen, die die Rohstoffe abbauen. Sie kommen meist aus Europa oder Amerika und nutzen das Fehlen internationaler Richtlinien zu ihren Gunsten aus. So kommt es, dass die Länder trotz ihres vermeintlichen Reichtums nicht wachsen.

Wie können westliche Länder dazu beitragen, dieses Muster zu brechen?

Wir brauchen mehr internationale Regulierung. Der Kimberley-Prozess zur Kontrolle des weltweiten Diamantenhandels ist ein gutes Beispiel. Dadurch ist es gelungen, den größten Teil des Diamantenhandels zu zertifizieren und dem Kriegsgeschäft zu entziehen. Das sieht man etwa an Sierra Leone: Vor sechs Jahren hat das Land offiziell nur 1 Million US-Dollar mit Diamanten verdient. Heute sind es 142 Millionen US-Dollar.

Für den Wandel bedarf es aber auch in Entwicklungsländern einer Führung, die gewillt ist, Einnahmen aus Rohstoffen wirklich im Staatshaushalt auftauchen zu lassen.

Ja, und das ist oft nicht der Fall. Auch die internationale Gemeinschaft muss hier noch besser zusammenarbeiten. Wie kann es etwa angehen, dass 3 Milliarden Euro der turkmenischen Gas-Einnahmen, die in keinem Haushaltsplan erfasst sind, auf einem Konto der Deutschen Bank in Frankfurt liegen? Was für eine Botschaft geht davon aus, wenn ein Staatsplünderer wie der Präsident von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang, von der US-Außenministerin Condoleezza Rice umarmt wird?

Setzt sich hier der Imperialismus des 19. Jahrhunderts fort?

Es ist eine neue Version von Imperialismus. Vor allem China und Amerika fechten derzeit weltweit einen kalten Krieg um Bodenschätze aus und versuchen, möglichst viele Regierungen auf ihre Seite zu ziehen. Dieser Kampf untergräbt jedoch alle Bemühungen um Transparenz. Die sudanesische Regierung kann beispielsweise tun, was sie will, weil China ein guter Ölkunde ist und die USA es gerne wären.

Sind ethische Richtlinien für entwickelte Länder nützlich, um den Entwicklungsländern in diesem kalten Krieg um Ressourcen zu helfen?

Durchaus. Aber internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank oder der IWF müssen Fragen der Transparenz und der guten Regierungsführung noch viel verbindlicher in ihren Vergaberichtlinien für Kredite an Entwicklungsländer verankern. Doch sie werden oft nicht mal von ihnen selbst eingehalten. Die Weltbank hat im Kongo etwa gegen ihre eigenen Umweltrichtlinien verstoßen, um die industrielle Abholzung zu fördern. Als weitere Maßnahme wäre es nötig, dass der UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution „Konfliktrohstoffe“ definiert. Denn bis heute gibt es keine Vereinbarung, welche Rohstoffe aus Konfliktgebieten illegal sind. Nur mit einer solchen Resolution wäre es möglich, Händler von illegalen Rohstoffen und Politiker, die dies erlauben, international zu verfolgen.

Was kann die deutsche Politik dazu beitragen?

Deutschland sollte sich nicht nur für eine UNO-Resolution zu Konfliktrohstoffen einsetzen, sondern auch für eine bessere Regulierung des globalen Bankensektors: Off-Shore-Banken und die Banken in der Schweiz bieten noch zu viele Schlupflöcher für dubiose Geschäfte. Aber auch der ganz normale Kunde sollte mal der Deutschen Bank sagen: „Hey, ich will meine Bank nicht mit einem Diktator aus Turkmenistan teilen.“

Mit welchen Methoden kann Global Witness den Zusammenhang zwischen Kriegen und Bodenschätzen aufklären?

Dafür sind wir häufig auf verdeckte Ermittlungen in den Ursprungsländern angewiesen. Wir infiltrieren einzelne Branchen, um so Informationen aus erster Hand zu erhalten. Im Kern sind wir so etwas wie ein paramilitärischer Think-Tank. Wir bereiten die Erkenntnisse in Berichten auf, um damit Einfluss auf die Politik auszuüben.

Welche Veränderungen haben Sie mit dieser Methode erreichen können?

Vor zehn Jahren haben wir gezeigt, dass die Roten Khmer ihren Bürgerkrieg in Vietnam finanzierten, indem sie Tropenholz nach Thailand exportierten. Jeden Monat verdienten sie damit 10 bis 20 Millionen US-Dollar. Durch unsere Recherchen wurde der internationale Druck so groß, dass Thailand die Grenze für den Holzhandel schloss. In den folgenden Jahren haben wir nachgewiesen, wie in Angola Blutdiamanten benutzt wurden, um den Bürgerkrieg zu finanzieren.

War das möglich, weil internationale Händler Diamanten ohne Rücksicht auf die Herkunft kaufen konnten?

Ja. Unsere Enthüllungen haben schließlich dazu geführt, dass der internationale Diamantenhandel seit 2002 weltweit durch den Kimberley-Prozess reguliert wird. In jüngster Zeit haben wir uns mit der Initiative „Publish what you pay“ für mehr Transparenz in der Erdgas- und Erdölindustrie eingesetzt. Die Unternehmen sollen offenlegen, wie viel Geld sie an Regierungen für die Bodenschätze bezahlen. So sollen die Geldströme transparenter werden. In Angola etwa wurde der Krieg auch mit Öleinnahmen finanziert. 1,25 Milliarden US-Dollar sind so verschwunden. INTERVIEW: TARIK AHMIA