: Nachhaltig wettbewerbsfähig
Öko-Institut: Umweltstandards sichern wirtschaftlichen Erfolg. Damit Unternehmen das merken, müssten sie notfalls zu deren Einhaltung gezwungen werden
BERLIN taz ■ Die Bundesregierung muss ganz schnell umdenken, wenn sie die Chancen der EU-Ratspräsidentschaft nicht verschenken will, die sie im ersten Halbjahr 2007 übernehmen wird. Das meinen die Experten des Öko-Instituts. Ihre Forderung: Das gesamte politische Konzept müsse in die Nachhaltigkeitsstrategie der EU eingepasst werden – auch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die Berlin bisher zum Schwerpunkt machen will. „Hohe Umwelt- und Sozialstandards fördern die Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte der stellvertretende Geschäftsführer Christian Hochfeld auf der gestern begonnenen Jahrestagung des Instituts.
Das Öko-Institut hatte in einem aus Eigenmitteln finanzierten Projekt untersucht, ob die landläufige These stimme, dass Umwelt- und Sozialstandards wirtschaftlichen Erfolg hemmen. Vorläufiges Ergebnis: „Es scheint sogar umgekehrt zu funktionieren“, sagte Hochfeld.
Als Beispiel nannte er die Automobilindustrie: Vor einer Woche hatte DaimlerChrysler einen Gewinneinbruch vermeldet, weil sich die verbrauchsintensiven Fahrzeuge des Konzerns in den USA angesichts der hohen Spritpreise zu schlecht verkaufen. Dabei haben sich die europäischen Autohersteller eigentlich selbst verpflichtet, den Flottenverbrauch ihrer Neuwagen so weit zu senken, dass sie höchstens 140 Gramm des Klimagases Kohlendioxid ausstoßen – das entspräche etwa 6 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern.
Fazit der Experten: Um Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen zu verhindern, müssten Umweltstandards durch „Begleitmaßnahmen“ gefördert werden. Hochfeld verwies auf die Klage, die der Staat Kalifornien in dieser Woche gegen mehrere Autokonzerne eingereicht hat. Sie sollen für Klimaschäden zur Verantwortung gezogen werden, die ihre Fahrzeuge verursachen.
Die Autoren der Studie hatten die gängigen Untersuchungen zum Thema analysiert. „Sie stellen oft nur unvollständige Kosten-Nutzen-Bilanzen auf“, sagte Umweltrecht-Spezialistin Franziska Wolff. Es gebe kaum Schätzungen der Kosten, „die durch nachhaltiges Handeln branchenübergreifend vermieden werden“. Auch „Kosten des Nichthandelns“ blieben unberücksichtigt.
Das liegt vor allem an der deutschen Forschungspolitik. In einigen Ländern müssen 15 bis 20 Prozent der staatlichen Fördergelder für Forschungsvorhaben in die Begleitforschung fließen, in der es um die externen Effekte geht. Hierzulande gibt es keine Vorgabe.
Die inhaltliche Lücke will das Öko-Institut künftig schließen. Hochfeld: „Wir werden verstärkt untersuchen, unter welchen Bedingungen Umweltregulierung erfolgreich ist, also anspruchsvolle Ziele erreicht und zugleich Innovation und wirtschaftlicher Erfolg gefördert werden.“
Eine noch einfachere Erklärung, warum es keine empirischen Belege gibt, dass Umweltpolitik die Wirtschaft hemmt, liefert die OECD: Sie hat vor einiger Zeit festgestellt, dass die Umweltschutzkosten zu niedrig und die Standards innerhalb der OECD zu vergleichbar seien, um die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinflussen. Hinzu kommt, das unterm Strich die Gewinne steigen, wenn Unternehmen in bessere Umweltstandards investierten. BEATE WILLMS