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Archiv-Artikel

„Lärm ist subjektiv“

RUHESTÖRUNG Akustiker erklärt, warum Menschen verschieden stark auf laute Geräusche reagieren

Von PS
Sven Pirschel

■ 41, hat Medien-Betriebstechnik studiert und betreibt seit elf Jahren ein Ingenieurbüro für Schallschutz und Raumakustik.

taz: Herr Pirschel, wann wird es Ihnen zu laut?

Sven Pirschel: Solche Fragen werden wir heute intensiv diskutieren. Man kann Lärmempfinden nicht an einem bestimmen Pegel festmachen, sondern es ist sehr subjektiv. Der tropfende Wasserhahn mit 20 Dezibel macht Sie wahnsinnig – aber beim Meeresrauschen mit 50 Dezibel entspannen Sie sich. Das zeigt, dass Lautstärke als grundsätzliches Lärmkriterium nicht ausreicht.

Aber in der Nähe von Flughäfen gibt es Dezibel-Obergrenzen.

Selbstverständlich. Und es gibt auch Berechnungsverfahren, die die Geräuschzusammensetzung und deren wechselseitige Verstärkung berücksichtigen. Aber wann es mir konkret zu laut wird, hängt davon ab, was ich gerade tue. Im Konzert finde ich 90 Dezibel gut, aber wenn ich schlafen will, können 20 zu viel sein.

Empfindet man fremden Lärm grundsätzlich als lauter?

Ja, daher das geflügelte Wort: „Lärm machen nur die anderen.“

Aber wenn ich selbst die Kreissäge betätige …

… ist das natürlich extrem laut. Aber da geht es nicht mehr um Ruhestörung, den Grund für die meisten Lärmstreitigkeiten, sondern um Gehörschädigung. Die ist beim Lärmschutz aber gar nicht das Hauptthema. Wir bekommen keinen Gehörschaden, weil wir in der Einflugschneise wohnen. Sondern wir können nicht richtig schlafen, und das beeinträchtigt unser vegetatives Nervensystem.

Und wann bekommt man nun einen Gehörschaden?

Wenn Sie einem ständigen Lärmpegel von über 90 Dezibel ausgesetzt sind. Oder durch kurzzeitige Lärmereignisse wie platzende Luftballons oder Silvesterböller. Es ist eine Frage der Dosis: Das Ohr kann durchaus laute Dinge hören, ohne dass es sofort kaputt geht. Aber es muss sich auch entspannen können.  INTERVIEW: PS

19.30 Uhr, Kultwerk West, Kleine Freiheit 42