Die Linksabbieger
WASG-Parteitag macht den Weg frei für Zusammenschluss mit der Linkspartei.PDS in Hamburg. Gaststar Oskar Lafontaine ruft beifallumrauscht zum Mut zu einem radikalen Politikwechsel auf
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Es geht um den „Politikwechsel“. Mal ist er „notwendig“, wenn nicht gar „überfällig“, mindestens „grundlegend“ müsse er ausfallen und am liebsten „radikal“ sein. Das Beschwören des Politikwechsels zieht sich als roter Faden durch die Mitgliederversammlung der Hamburger WASG am Samstag im Wirtschaftsgymnasium St. Pauli. Und beschlossen wird er auch noch.
Nahezu einstimmig nehmen die knapp 300 anwesenden Mitglieder einen Leitantrag des Landesvorstandes an, der die Schritte zur Bildung einer neuen Linken in Hamburg beschreibt. Damit machen sie den Weg frei für eine Fusion der Wahlalternative mit der Linkspartei.PDS im nächsten Sommer.
Die „sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit“ mit dem künftigen Partner hatte zuvor Vorstandsmitglied Wolf von Matzenau vor der Versammlung gelobt. Er räumte ein, dass die PDS an in Hamburg „noch vor eineinhalb Jahren eine marginalisierte Chaotentruppe war“ und die WASG sich auch „in Abgrenzung zu denen gegründet“ habe. Jetzt aber gehe an einem Zusammenschluss „kein Weg mehr vorbei“.
Ursächlich dafür war, dass die Postkommunisten sich im vorigen Jahr in Linkspartei.PDS umbenannten, WASG-KandidatInnen auf ihrer Liste zur Bundestagswahl zuließen und sich mit der Wahlalternative auf einen gemeinsamen parteilosen Spitzenkandidaten geeinigt hatten. Prof. Norman Paech sitzt seit einem Jahr als von beiden Gruppen akzeptierter Abgeordneter im Berliner Bundestag. Das alles habe an der WASG-Basis verbreitete Ängste abgebaut, „von der Linkspartei geschluckt zu werden“, freut sich Vorstandsmitglied Berno Schuckart. Mit der Fusion werde „die Linke nun stärker werden und in die Offensive gehen“.
Auftrieb hat den etwa 420 Mitgliedern der WASG und den knapp 500 PDSlern auch eine Meinungsumfrage im August gegeben. Danach könnte eine gemeinsame Linkspartei bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg im Februar 2008 mit runden fünf Prozent rechnen – der Einzug in die Bürgerschaft lockt.
Sehr zur Freude auch von Martin Wittmaack. Die Zustimmung der WASG zur Fusion sei „ein sehr wichtiger Schritt für die Neubildung der Linkspartei“, kommentiert der PDS-Landesgeschäftsführer im Gespräch mit der taz. Nun könne auf einem gemeinsamen „Stadtpolitischen Kongress“ am 24. und 25. November mit der Arbeit an einem Wahlprogramm für Hamburg begonnen werden. Die Linkspartei.PDS hatte denselben Leitantrag bereits vor einer Woche gebilligt.
Für die Fusion zu werben und vor allem für gute Laune zu sorgen, ist am Samstagnachmittag die Aufgabe von Oskar Lafontaine, gemeinsam mit PDSler Gregor Gysi Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag. Die „ständigen Lügen“ der etablierten Parteien geißelt er und deren „Regieren gegen die Mehrheit des Volkes“. Den „Geist der Aufklärung“ beschwört der Saarländer und die „Demokratisierung der Gesellschaft auf allen Ebenen“.
Deshalb müsse eine politische Alternative her, und die könne nur die vereinigte Linke stellen. „Wer sonst soll in diesem Land gegen den Neoliberalismus aufstehen und für soziale Gerechtigkeit sorgen“, lautet seine mehrfach variierte rhetorische Frage, auf die er keine andere Antwort erwartet als donnernden Beifall.
Den erhält Lafontaine denn auch ausgiebig: stehend, minutenlang und gewürzt mit „Oskar“-Rufen. Autogramme musste er aber nicht geben.