piwik no script img

Archiv-Artikel

„Der Markt ist recht eng“

NACHWUCHS Modenschau präsentiert Kreationen von Auszubildenden des Bekleidungshandwerks

Von PS
Christina Wüstner

■ 50, Schneidermeisterin, betreibt seit 1990 als Selbstständige einen Schneiderbetrieb in Hamburg.

taz: Frau Wüllner, hat die Schneiderbranche ein Nachwuchsproblem?

Christina Wüllner: Wir hätten kein Problem, Auszubildende zu bekommen. Aber es gibt kaum noch Betriebe und Ausbildungsplätze. Der Markt ist schlicht nicht mehr da. Wir Schneiderbetriebe sind inzwischen nur noch ein kleiner Kreis, der seine Marktnischen gefunden hat. Denn es gibt H&M, Jil Sander, Prada – und die allerwenigsten Menschen lassen sich heutzutage noch etwas individuell schneidern.

Weil die Textilindustrie das günstiger macht.

Das ist natürlich der Hauptkonkurrent. In den 1950er-, 1960er- Jahren sind die Menschen noch scharenweise in Modeboutiquen gegangen, um sich Kleidung anfertigen zu lassen. Aber dann kam die Konfektion – und die bietet ja inzwischen wirklich gute Qualität.

Wenn der Markt so klein ist: Warum hat die Schneider-Innung für heute eine aufwändige Schneidernachwuchs-Modenschau organisiert?

Wir haben diesen Wettbewerb vor neun Jahren ins Leben gerufen, weil die Auszubildenden, die in den Betrieben meist stark eingespannt sind, eine Plattform haben sollen, auf der sie sich kreativ entfalten können. Andererseits wollen wir der Öffentlichkeit zeigen: Da sind Schneider, die können etwas. Vielleicht bringt das Kunden, sodass der Markt wieder größer wird.

Manche Mode-Trends – etwa der 1970er-Look – kehren immer wieder. Wieso eigentlich?

Ich weiß es nicht genau. Aber man muss bedenken, dass das eine Generationenfrage ist: Für heute junge Leute ist der 70er-Trend etwas Neues. Außerdem: Die Mode der 1970er-Jahre ähnelte der der 1920er, war also auch nicht ganz neu. Abgesehen davon kehren Trends ja nicht ganz exakt wieder, sondern mit Abwandlungen: Gut, es sind Plateauschuhe, aber die sehen ganz anders aus als damals.

Und wie frei sind Sie als Schneiderin von Vorgaben heutiger Mode-Päpste?

Man schaut schon immer, was angesagt ist. Aber da wir Einzelanfertigungen machen, haben wir schon die Freiheit, das individuell zu gestalten. Andererseits muss man sich nach den Kunden richten, denn die sind ja die Auftraggeber. Und die wollen oft das, was im Trend liegt. Ich denke also schon, dass man diesen Strömungen als Schneider ein bisschen unterliegt.  INTERVIEW: PS

Modenschau des Hamburger Schneidernachwuchses mit Preisverleihung: 17 +20 Uhr, Opernloft, Fuhlentwiete 7