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Archiv-Artikel

Balgen an der Bande

Am Donnerstag will das Eiskunstlaufpaar Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy bei der Nebelhorn-Trophy in Oberstdorf antreten. Aber dürfen sie das mit Trainer Ingo Steuer, „IM Torsten“?

VON MARKUS VÖLKER

Ingo Steuer hat keine Lust zu sprechen. „Meine Anwältin ist auf dem neuesten Stand“, sagt er gelangweilt. „Außerdem fahre ich grad Auto und hab keine Freisprechanlage dabei.“ Tschüss, und Ingo Steuer ist weg. Die Anwältin des Eiskunstlauftrainers Steuer hat mehr Zeit. Karla Vogt-Röller vertritt die Interessen ihres Mandanten recht engagiert. Es ist ja auch ein interessanter Fall, den die Juristin aus Berlin da bearbeitet. Die Causa nimmt sie ordentlich in Anspruch. Gerade hat sie eine Einstweilige Verfügung beim Landgericht München eingereicht, damit der Herr Steuer am Donnerstag seinen Job machen kann. Das heißt: Bei der Nebelhorn-Trophy in Oberstdorf an der Bande stehen und dem Eiskunstlaufpaar Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy beim Sport zusehen. Steuer betreut das Pärchen schon seit Jahren.

„N. N. / N. N.“

Aber so einfach ist das nicht mit der Betreuung. Noch steht in der Startliste der Veranstaltung „N. N. / N. N.“, wo doch längst die Namen der Chemnitzer Schlittschuhläufer stehen sollten. Das Problem dabei: Steuer soll weg von der Bande, weit weg, und am besten für immer. Doch Steuer will bleiben. Und seine Schützlinge wollen das auch. Sehr dagegen ist indessen das Bundesinnenministerium, ein bisschen die Deutsche Eislauf-Union (DEU). „Ich hoffe, dass sie in Oberstdorf starten können, denn in Deutschland funktioniert die Gewaltenteilung noch ganz gut“, sagt die Anwältin. „Das Innenministerium hat ja ganz schön in die Sache hineinregiert.“ Es gebe keine Norm, die besage, dass ihr Mandant das Paar nicht betreuen dürfe, glaubt sie.

Das Bundesinnenministerium sieht das etwas anders. Es möchte den ehemaligen Stasi-Zuträger, „IM Torsten“, der mit 18 Jahren eine Verpflichtungserklärung bei den DDR-Schnüfflern unterschrieben und wegen seiner willfährigen Dienste als „übereifrig, zuverlässig und ehrlich“ galt, aus den hehren Hallen des bundesdeutschen Sports entfernen. Die DEU hat sich dem Willen der Ministeriellen angeschlossen, denn sie ist abhängig von Fördergeldern aus Berlin. Im Jahr fließen 400.000 Euro an den Sportverband, bestätigt Schatzmeister Johannes Wehr. Das Ministerium aber hatte das Geld wegen des heiklen Falles eingefroren und der DEU, welche die Stasi-Verwicklung Steuers nicht wirklich ernst genommen hatte, ein Ultimatum gestellt. Die DEU sollte erst ihre Meinung ändern und Steuer verdammen, dann würde der Rubel rollen.

Ultimatum aus Berlin

Steuer erhielt freilich keine Zuwendungen mehr von der Eislauf-Union; er wäre also nur als Privatmann an der Bande erschienen. Aber selbst dieser Status erregte das BMI, das den Finanzboykott gegen den klammen Verband prompt aufhob, als die DEU-Oberen Steuer zur Persona non grata erklärten. Das Ministerium hat mittlerweile 200.000 Euro überwiesen. Der Verband ist aus dem Gröbsten raus. Nur diese dumme Steuer-Sache ist noch immer nicht erledigt, weil der Coach nicht aufgibt und seine Kurvenstars ein Treuebekenntnis nach dem anderen für ihren Trainer abgeben.

Die DEU würde inzwischen renommierte Trainer aus dem Ausland für Sawtschenko und Szolkowy holen und sogar bezahlen, Fachkräfte wie Oleg Wasiljew oder Tamara Moskwina. „Wir haben die besten Trainer der Welt aufgeboten“, sagt Johannes Wehr, „die Zwei müssten sich nur endlich mal entscheiden.“

Doch das Paar lässt nicht ab von Steuer, bildet ein störrisches Trio, was Anwältin Vogt-Röller großartig findet. „Ich habe Hochachtung, diese Geradlinigkeit braucht unser Land.“ Sie behauptet, Steuer und seine Getreuen würden „am langen Arm ausgehungert“, so lange, bis sie nicht mehr könnten. Da Steuer kein öffentliches Geld bekomme und auch in keinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Verband stehe, könne er als Trainer arbeiten, sagt Vogt-Röller: „Herr Steuer möchte doch nicht Innenminister werden.“ Einen unbelasteten Trainer könnten Sawtschenko und Szolkowy zudem überhaupt nicht suchen, weil „die doch gar keine Akteneinsicht haben, die sind doch nicht beim Verfassungsschutz“, polemisiert sie.

„Die ganze Problematik muss endlich zu Ende gebracht werden“, hofft derweil DEU-Schatzmeister Wehr und klingt dabei einigermaßen hilflos. Seine Kollegen im Verbandspräsidium, Dieter Hillebrand und Uwe Harnos, sehen das wohl ähnlich, äußern wollen sie sich nicht zum Fall. Über eine Sekretärin lassen sie ausrichten, bis Freitag nicht erreichbar zu sein. Vermutlich wird bis dahin wieder Krisenmanagement betrieben – eine bekannte Disziplin in der DEU.