: In der Defensive
Hamburgs erster Kulturwirtschaftsbericht sollte den finanziellen Nutzen kultureller Einrichtungen erweisen. Stattdessen preist er Behördenhandeln und Subventionsmaßnahmen, Stifter und Sponsoren – und offenbart so, was Zweifler immer ahnten: die finanzielle Bedürftigkeit des Kulturbetriebs
von PETRA SCHELLEN
Große Überraschungen birgt er nicht, aber solide, das ist er: Den ersten Kulturwirtschaftsbericht für Hamburg hat gestern der Senat präsentiert – eine 141 Seiten starke Studie, wie sie ähnlich bereits in Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gefertigt worden war.
Die exakte Anzahl Hamburger Buchhandlungen, die Besucherzahlen der Bücherhallen, die Eigenfinanzierungsquote und den Wertschöpfungsbeitrag von Bühnen, Museen und Hochschulen haben die Autoren recherchiert, auf dass Kulturpolitiker in künftigen Streitgesprächen mit Financiers um eine Argumentationshilfe reicher seien.
Bei näherem Hinsehen jedoch erweist sich der Informationsgehalt der Studie als so mager wie vorhersehbar: Die meisten kulturaffinen Unternehmen gab es im Jahr 2003 – Bezugsgröße der Studie – bei der angewandten Kunst, gefolgt von der darstellenden und der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik. Wenig überraschend ist auch, dass die angewandte Kunst – Oberbegriff für Architektur, Design, Mode, Kunsthandwerk, Film und Foto – die wenigsten Subventionen braucht, die freien Künstler dagegen am meisten. Es erfordere „großen Idealismus“, sich als Künstler selbständig zu machen, wird dann auch lapidar angemerkt. Indes erringe die bildende Kunst „in Einzelfällen überregionales Ansehen“, heißt es weiter. Offenbar nicht recherchiert wurde da, wie viele Hamburger Künstler es bis zur documenta brachten.
Intensiv beschworen wird dagegen das Renommee von Institutionen wie der Hamburgischen Staatsoper und der Hochschule für bildende Künste. Als Standortfaktor diene zudem die Tatsache, dass die Stadt bereits mehrfach „Theater des Jahres“ hervorgebracht habe. Und der Tanzplan Hamburg – ein von Bund und Stadt gefördertes Programm – könne „auch eine Form der Tanzwirtschafts-Förderung“ sein.
Vielleicht ist es sprachliches Ungeschick, vielleicht glauben die Autoren selbst nicht recht, was sie schreiben. Eines sind solche Formulierungen jedenfalls deutlich nicht: Botschaften zugunsten der Kultur, geeignet, Zweifler von der Bedeutung dieses Segments zu überzeugen. Auch Sätze wie „Viele Verantwortliche in Kultureinrichtungen wissen sehr wohl, dass Finanzmittel sorgsam eingesetzt werden müssen“, klingen eher nach Selbstanklage, als dass sie Vertrauen wecken dürften.
Wenig verständlich auch die Entscheidung, jedes Kapitel um den Absatz „Beiträge der Kulturbehörde“ zu ergänzen. Dies leuchtet nicht ein angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaftlichkeit, sprich: die Eigenständigkeit des Kulturbetriebs belegt werden sollte. Kaum verhohlen, geraten solche Passagen zur Selbstdarstellung der Behörde und ihrer Förderaktivitäten. Ein vermeintlich schlauer PR-Kniff, der kontraproduktiver nicht sein könnte: Die subventionsbedürftigen Einrichtungen und die Summen, die in Theater und Museen fließen, sind hier detailliert aufgelistet. Fakten, die abermals wenig geeignet sind, die Wirtschaftskraft des Marktsegments Kultur zu belegen.
Auch das Lob der behördlichen Zusammenarbeit wirkt deplatziert. Sollte die Kulturbehörde am Ende selbst unter Legitimationsdruck stehen und die Studie hierfür zweckentfremden wollen? Eine große Ungeschicklichkeit, wenn dem so wäre – ganz zu schweigen vom Versuch, den Standortfaktor Kultur auf „Wertschöpfungs-Beiträge“ – das häufigste Wort der Studie – zu reduzieren. Warum trotz der vielen „Teilmärkte“ und Wertschöpfungs-Bemühungen Förderer und Musikunternehmen die Stadt verlassen, erwähnen die Autoren nicht. Sie ergehen sich stattdessen in Lobeshymnen auf die vielen Stifter und Sponsoren, die wiederum auf eines weisen: auf die finanzielle Bedürftigkeit der Kulturszene. Auf die Tatsache, dass Staatstheater und Museen immer Subventionsbetriebe bleiben werden. Darauf, dass man die Auswirkung eines Theaterstücks auf die Gastronomie vor Ort nicht messen kann. Skeptiker also werden immer ein Totschlag-Argument haben. Auch mit dieser Studie – und, was noch schlimmer ist: mit ihr erst recht.