: Miniermotten in der Venusfalle
Neue Bekämpfungsmethode für den Schmetterling, dessen Larven sich in die Blätter von Rosskastanien fressen, kann Schädlingsbestand allenfalls reduzieren. Bäume überleben
von Gernot Knödler
Beim Betrachten der Rosskastanien will in diesem Herbst keine rechte Freude aufkommen. Ihre Blätter sind vor der Zeit braun geworden, und haben sich von den Rändern her eingerollt. Mit so einem verschrumpelten Blatt etwa das Fenster zu schmücken, kommt nicht in Frage. Außerdem sitzen Tierchen drin: die Larven der Miniermotte, die sich durch die Blätter der Kastanien fressen. Doch es gibt Hoffnung: Wie die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) mitteilte, ist ein neues Mittel zur Bekämpfung der sich überbordend vermehrenden Tierchen auf den Markt gekommen.
Die Rosskastanienminiermotte ist Anfang der 80er Jahre in Mazedonien entdeckt worden. Von dort aus hat sie sich nach Norden ausgebreitet. 1993 ist sie in Bayern aufgetaucht; im Jahr 2000 hat sie weite Teile des östlichen Niedersachsen besiedelt. Heute seien alle 11.000 Rosskastanien Hamburgs vom gefräßigen Nachwuchs des Falters befallen, stellte die SDW fest.
Dass sich die Miniermotte so üppig vermehren kann, liegt daran, dass sie erst kürzlich eingewandert ist. Es fehlt an Parasiten und Fressfeinden, die auf die Motte spezialisiert sind. Vögel werden nach Einschätzung der bayerischen Forstverwaltung „nie in der Lage sein, die hohen Schädlingsdichten nachhaltig zu senken“. Auch der Parasitenbefall zeige noch keine größere Wirkung. Selbst in Mazedonien seien nur fünf bis zehn Prozent der Motten von Parasiten befallen. Forscher vermuten daher, dass die Motte in Mazedonien zwar entdeckt wurde, aber nicht von dort stammt.
Wie Stefanie Hahn von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft sagt, käme als natürlicher Feind für die Motte die Schlupfwespe in Frage. Diese sei aber nicht auf die Miniermotte spezialisiert und lege ihre Eier nicht gerade dann, wenn Mottenlarven als Wirtskörper bereit liegen. Überdies bringe die Motte bis zu drei Generationen im Jahr hervor. Die Schlupfwespe kann da nicht mithalten.
Die chemische Keule gegen die Motte zu schwingen wäre teuer und würde die Bäume und andere Insekten in Mitleidenschaft ziehen. Seit einiger Zeit schon versuchen die Forscher deshalb, die Motten zu täuschen. Sexuallockstoffe (Pheromone) sollen die Männchen entweder von den eigenen Weibchen ablenken oder in Fallen locken, die es seit kurzem zu kaufen gibt.
Drei bis vier Fallen werden in einen Baum gehängt, um die Männchen an der Fortpflanzung zu hindern. „Praktisch funktioniert die Falle auch sehr gut“, sagt Jan Muntendorf von der SDW. „Das Problem ist aber, dass es so viele Motten gibt, dass insbesondere bei mehreren Bäumen nebeneinander die Fallen die gigantischen Mengen an Motten nicht wegfangen können.“ Der Befall könne allenfalls bei einzeln stehenden Bäumen gestoppt werden.
Das setzt voraus, dass das Laub der Bäume, in dem die Puppen überwintern, entsorgt wird. „Laubsammeln bringt auf jeden Fall was“, bestätigt Hahn von der Biologischen Bundesanstalt. Dem Forschungsstand zufolge muss das Laub nicht verbrannt werden, sondern darf auch auf dem Komposthaufen landen. Dabei sollte es von einer mindestens 15 Zentimeter dicken Schicht aus unbefallenem Kompost überdeckt werden.
Mit allen Gegenmaßnahmen lässt sich jedoch nur die Zahl der Motten verringern. „Von Ausrottung kann nicht die Rede sein“, sagt Hahn. Die Miniermotte dürfte Bestandteil unserer Fauna bleiben, woraus aber nicht folgt, dass es bald keine Rosskastanien mehr geben wird. „Noch ist kein einziger Kastanienbaum an der Miniermotte gestorben“, sagt Hahn. Der Mottenbefall sei als ein Stressfaktor für die Bäume zu sehen, der nur in Kombination mit anderen zum Tod der Bäume führen könne. Geschwächte Bäume kommen schlechter mit extremen Wetterverhältnissen zurecht und sind weniger resistent gegen Krankheiten.