Abhörskandal wird CIA-Skandal

Der Organisator des Spionagerings bei Telecom Italia soll auch bei der CIA-Entführung eines ägyptischen Islamisten aus Mailand mitgewirkt haben, sagt ein Telecom-Manager

ROM taz ■ Die abgewählte italienische Regierung Silvio Berlusconi war womöglich direkt in die Entführung eines ägyptischen Islamisten durch CIA-Agenten verwickelt. Einer der Zeugen in dem letzte Woche bekannt gewordenen Spionageskandal rund um Telecom Italia erklärte, der für die Geheimdienste zuständige Berlusconi-Staatssekretär Gianni Letta habe dem CIA-Zugriff zugestimmt, dessen Opfer am 17. Februar 2003 in Mailand der Imam Abu Omar wurde.

Eigentlich sollte Fabio Ghioni, früherer Verantwortlicher für „Information security“ bei der Telecom Italia, über das Spionagenetzwerk aussagen, das der vor einer Woche verhaftete Ex-Sicherheitschef der Telefonfirma, Giuliano Tavaroli, aufgebaut hatte. Tavaroli hatte im Verein mit seinem alten Freund Emanuele Cipriani, der eine Privatdetektei leitete, tausende Telecom-Angestellte sowie zahlreiche Wirtschaftsbosse, Journalisten, Politiker ausforschen lassen. Nützlich waren den beiden dabei die hervorragenden Kontakte zu Marco Mancini, bis Mai Nummer zwei des militärischen Geheimdienstes Sismi.

Eben jenen Mancini hatte schon im Juli ein Haftbefehl ereilt, weil er den CIA-Agenten bei der Entführungsaktion in Mailand direkt zugearbeitet haben soll. Unklar war bisher jedoch geblieben, was der Chef des Sismi, Nicolò Pollari, und die italienische Regierung von der US-Aktion auf italienischem Territorium gewusst hatten.

Der Telecom-Manager Fabio Ghioni sagte nun, er habe von einem Journalisten der rechten Tageszeitung Libero, Claudio Anonelli, erfahren, dass der Organisator des Telecom-Spitzelrings Tavaroli nach eigenem Bekunden direkt mit Mancini auch bei der Abu-Omar-Entführung zusammengearbeitet habe. So habe Tavaroli dem Geheimdienstmann die Telefonnummern von Islamisten im Umkreis des später entführten Abu Omar besorgt. Tavaroli habe dem Journalisten gesagt, Mancini habe sich das Plazet für die Mitwirkung bei der CIA-Aktion beim Geheimdienstchef Pollari abholen wollen. Nach einer Abfuhr habe er sich dann direkt an Staatssekretär Letta gewandt, der die Aktion gebilligt habe.

Der Anwalt des zitierten Journalisten wollte diese Version weder bestätigen noch dementieren. Schon heute könnte dagegen der Sismi-Chef Pollari Klarheit schaffen: Er soll vor dem parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollausschuss zur Abu-Omar-Affäre aussagen.

Derweil meldete sich, fünf Tage nach Ausbruch des Telecom-Skandals, endlich der letzte Woche als Präsident des Unternehmens zurückgetretene Marco Tronchetti Provera zu Wort. Tronchetti Provera, der weiterhin über seine Pirelli Telecom Italia kontrolliert, sagte jedoch auf der von ihm einberufenen Pressekonferenz nichts über die Rolle des Hauptverdächtigen Tavaroli in dem Unternehmen. Stattdessen erklärte er, sein Unternehmen sei „nicht Täter, sondern Opfer“ in dem Skandal. Er erging sich dann in Anspielungen auf eine „Grauzone“, die endlich ans Tageslicht geholt werden müsse. MICHAEL BRAUN