Union und SPD scheuen kalten Entzug

Vorerst kommt es im Bundestag nicht zur Kraftprobe über radikale Rauchverbote. Stattdessen suchen die Regierungsfraktionen einen Kompromiss. Die entscheidende Frage ist jetzt, wie umfassend das Rauchverbot in Restaurants und Kneipen ausfällt

SPD-Staatssekretärin für italienische Lösung mit Raucherräumen

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Die Chefs von Union und SPD wollen einen eigenen Kompromiss über Rauchverbote aushandeln. Ein Koalitionsantrag soll den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag ersetzen, den drei SPD-Abgeordnete initiiert haben. Damit kommt es vorerst nicht zu einer Abstimmung im Bundestag über den Gruppenantrag, der ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie sowie in allen öffentlichen Einrichtungen vorsieht.

Die drei SPD-Abgeordneten Lothar Binding, Carola Reimann und Margrit Spielmann hatten angekündigt, ihren Gruppenantrag noch in dieser Woche im Bundestag zur Abstimmung zu bringen. Bisher haben ihren Antrag 140 Parlamentarier, vor allem von SPD und Linksfraktion, unterzeichnet. Obwohl sie auch auf die Zustimmung von Grünen und einigen Verbündeten aus der Union setzen können, hätten sie sich dem Risiko des Scheiterns ausgesetzt – das Thema wäre vorerst tot gewesen. Allerdings könnten bei Verhandlungen von Union und SPD deutlich mildere Rauchverbote herauskommen, als es sich Binding und KollegInnen wünschen.

Die Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) reagierte vorsichtig auf die Ankündigung eines gemeinsamen Antrags von Union und SPD. „Ich rate, es zuerst beim Gruppenantrag zu belassen“, sagte sie der taz. Die Union habe in der Vergangenheit angeboten, die Gaststätten von einem Rauchverbot auszunehmen. Dies sei keine Verhandlungsgrundlage. „Wir wollen generelle Rauchfreiheit, es sei denn, wir haben einen abgetrennten Raum. Dann kann der zum Rauchbereich erklärt werden wie in Italien.“

Der Verband der Cigarettenindustrie (VDC) will heute ein Positionspapier zu Rauchverboten vorstellen. Wie es in dem Papier heißt, das vorab an Politiker versandt wurde und der taz vorliegt, soll es ein generelles Verbot nur in Schulen geben. In Universitäten, Erwachsenenbildungsstätten und Behörden sollen alle Beteiligten Raucherräume vereinbaren können. In Diskos und Bars soll weiter jeder rauchen dürfen. In Restaurants soll ein Verbot erst ab einer Fläche von 75 Quadratmetern gelten – mit der Möglichkeit von rauchfreien Zonen „z. B. durch Absperrungen/Wände, Abstand und/oder zielgerichtete Luftsteuerung.“

Die Saarbrücker Zeitung berichtet, die Koalition plane, die 75-Quadratmeter-Regel zum Gesetz zu machen, darüber hinaus ein Rauchverbot für Minderjährige. Die Pressestellen von SPD und Union bestätigten davon nichts. Die grüne Verbraucherschutz-Politikerin Ulrike Höfken sagte der taz, die Koalition komme offensichtlich öffentlichem Druck entgegen. „Die Spitzen der Koalitionsfraktionen werden versuchen, die Gastronomie weitgehend rauszuhalten. Offensichtlich will die Koalition eins zu eins als Vollstreckerin des VDC tätig werden.“ Die Grünen würden ihren eigenen Antrag, der ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie vorsieht, auf jeden Fall einbringen und im parlamentarischen Verfahren halten. Heute sprechen laut einem SPD-Sprecher die parlamentarischen Geschäftsführer der Regierungsfraktionen mit Fachpolitikern über das Thema.