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Archiv-Artikel

Kein Notstandssystem für den Havariefall

Seit 1991 fordert die oberste Atomaufsicht Hessens eine sicherheitstechnische Nachrüstung des Reaktors

Allein im Jahre 2002 musste der Betreiber 14 meldepflichtige Vorfälle eingestehen

BERLIN taz ■ Notstandswarte – so heißt das Problem des ältesten deutschen Atomkraftwerkes. Als einziger Reaktor verfügt Biblis A über kein gebunkertes Notstandssystem, das unabhängig von anderen Systemen im Havariefall zu betreiben ist. Deshalb forderte bereits die CDU-geführte Landesregierung Hessens als oberste Atomaufsicht am 27. März 1991 eine sicherheitstechnische Nachrüstung.

Pläne dafür wurden immer wieder entworfen – aber nie realisiert. Geplant war die neue unabhängige Notstromzentrale zwischen dem im August 1974 in Betrieb gegangenen Block A und dem zwei Jahre später angeschlossenen Block B. Allerdings erwiesen sich die Planungen als statisch extrem schwierig – als 1998 die Verhandlungen zum Atomkonsens begannen, war mit dem Bau immer noch nicht begonnen.

Betreiber RWE Power argumentierte in diesen Verhandlungen so: Wegen der atomrechtlichen Genehmigung und des komplexen Baus würde die Notstandswarte nicht wesentlich früher als Anfang 2007 fertig. Gemäß Atomkonsens soll dann aber Deutschlands ältestes AKW vom Netz.

Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) teilte seinerzeit diese Überlegungen. Im Atomkonsens heißt es deshalb: „Zum weiteren Verfahren der Nachrüstung von Biblis A wird auf die in der Anlage 2 enthaltene Erklärung des Bundesumweltministeriums gegenüber der RWE AG verwiesen.“ In dieser nimmt das Bundesumweltministerium Abstand vom geforderten Bau der Notstandswarte. „Unter der Voraussetzung einer Erklärung des Betreibers, auf eine Übertragung von Energiemengen auf Biblis A zu verzichten“, müsse die Notstandswarte nicht gebaut werden.

Dass eine solche Notstandswarte eigentlich zwingend erforderlich ist, zeigte eine ganze Reihe von Störfällen. Allein 2002 musste der Betreiber 14 meldepflichtige Vorfälle eingestehen. Im März 2002 heißt es etwa „Nichtöffnen einer Absperrarmatur im Nebenkühlwassersystem“. Im Juni: „Ausfall von Reaktorschutzmessungen infolge Kabelschäden“. Und: Eine Untersuchung des Bundesumweltministeriums ergab vor anderthalb Jahren, dass Biblis A nicht gegen den Absturz eines Passagierflugzeugs geschützt ist. NICK REIMER